Süddeutsche Zeitung

Landtagswahl im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen:"Die CSU braucht Kontrolle"

Direktkandidaten für den Landtag im Stimmkreis Bad Tölz-Wolfratshausen-Garmisch: Florian Streibl von den Freien Wählern lehnt das Polizeiaufgabengesetz und Söders "Windbeutelpolitik" ab

Von Felicitas Amler

Ministrabel? Florian Streibl zuckt ein wenig zusammen und stößt ein fast unhörbares "Puh" aus. Ob einer wie er in einer möglichen Koalition aus CSU und Freien Wählern für das Amt eines Staatssekretärs oder Ministers in Frage käme - er möchte darüber eigentlich nicht reden. Der Jurist aus Oberammergau sitzt seit zehn Jahren für die Freien Wähler im bayerischen Landtag. Er ist nicht nur Mitglied des Ältestenrats und gehört dem Ausschuss für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen sowie dem Beratenden Kuratorium zur Begleitung des Projekts Lernort Dokumentation Obersalzberg an. Er ist als Parlamentarischer Geschäftsführer auch der zweitwichtigste Mann nach dem Fraktionsvorsitzenden, eine tragende Säule der Freien Wähler (FW) im Maximilianeum. Und er hat die parlamentarische Untersuchung der Causa Gustl Mollath wesentlich mit angetrieben. Nicht ganz abwegig, den 55-Jährigen für einen Politiker mit Karriereaussicht zu halten.

Aber Streibl ist keiner, der für sich auf die Pauke haut. Nicht einmal das Wort "ich" kommt ihm leicht über die Lippen. Er spricht meist eher distanziert von sich selbst: "Man ist ja auch rechtspolitischer Sprecher", sagt er. Oder, auf die Frage, ob das politische Geschäft ihn verändert habe: "Früher war man vielleicht schüchterner. Jetzt tut man sich leichter, dass man auf Menschen zugeht." Es gehört zu seinem Job als Parlamentarischer Geschäftsführer, auf andere zuzugehen: Absprachen über Verfahrenswege sind oft nötig, und das funktioniere "gut und kollegial über Fraktionsgrenzen hinweg". Zu Kompromissen müsse man schon fähig sein: "Mit der Brechstange kommt man in der Regel in der Demokratie nicht weit."

Stolz auf die Rückkehr zum G 9

Als einen der wichtigsten Erfolge rechnet Streibl seiner Gruppierung die Wiedereinführung des neunstufigen Gymnasiums (G 9) an: "Da haben wir lang an die CSU hingeredet." Er habe bei seiner heute 24 Jahre alten Tochter erlebt, was den jungen Menschen durch die Verkürzung auf acht Jahre genommen worden sei, sagt er: "Lebenszeit. Zeit, die man zum Reifen, zur Entwicklung braucht."

Mit einem anderen Vorhaben konnten sich die Freien Wähler nicht durchsetzen: einer Reformierung des Petitionswesens. Seine Fraktion habe eine 20 Seiten umfassende Gesetzesinitiative eingebracht, berichtet Streibl. Als Beispiele für gewünschte Veränderungen nennt er einen Ombudsmann und ein barrierefreies Verfahren: "Man kann heute eine Petition auf einem Bierdeckel einreichen, aber nicht in Blindenschrift."

Die größten Aufgaben der Zukunft des bayerischen Landtags sieht er in der Schaffung bezahlbaren Wohnraums und der Verbesserung des öffentlichen Personenverkehrs. Was das Wohnen angeht, so könne der Landtag einiges tun, meint Streibl: die Baurechtsplanung ändern; Programme zum kommunalen Wohnungsbau auflegen; Genossenschaftsmodelle fördern; eigene Grundstücke, wovon der Freistaat viele habe, in Erbpacht an Kommunen vergeben. Verkehrsprobleme entstünden auch dadurch, dass immer mehr Menschen von München herauszögen. Der Öffentliche Personennahverkehr müsse "drastisch ausgebaut" werden, sagt Streibl, und vor allem müsse eine Vernetzung über Landkreisgrenzen hinweg geschaffen werden: "Der Alpenbus - eine Idee der Landräte - ist positiv. Aber eine Querverbindung Weilheim - Murnau - Penzberg - Bad Tölz - Miesbach scheitert am politischen Willen." Wie alle Politiker wünscht Streibl sich dringend die Verlängerung der S-Bahn-Linie 7 bis Geretsried; es sei "traurig, dass eine Verlängerung um eine Station sich so lange hinzieht". Gleichzeitig müsse man feststellen, dass dieser eine Fortschritt schon jetzt nicht ausreiche: "Man müsste die ganze Region noch viel vernetzter anschauen."

Gegen das Polizeiaufgabengesetz

Der bayerische FW-Chef Hubert Aiwanger hat mit Blick auf die Landtagswahl gesagt, eine Koalition mit der CSU sei besser als die CSU allein. Streibl mahnt zwar zur Vorsicht, was die Umfragen angeht, wonach die CSU ihre absolute Mehrheit verlöre. Er findet aber: "Die CSU braucht immer Kontrolle, weil ihr sonst nur Unsinn einfällt." Unsinn? "Zum Beispiel ein Polizeiaufgabengesetz. Eine Reiterstaffel." Sollten die Freien Wähler "in die Verantwortung gerufen werden", wären dies Bedingungen, sagt Streibl: Keine dritte Startbahn und Verhandlungen über das Polizeiaufgabengesetz. Er frage sich auch, "ob man einen Söder als Ministerpräsidenten braucht. Ihm hält er "so eine Art Windbeutelpolitik" vor, was er am Kruzifix-Erlass verdeutlicht: "Wenn sich derjenige, der das Kreuz aufhängt, wichtiger nimmt als das Kreuz, ist es falsch, ist es nur Publicity."

Die Person vor der Aufgabe, das ist - zumindest nach außen wahrnehmbar - nicht Streibls Stil. So beantwortet er schließlich die Frage nach einem Posten als Minister oder Staatssekretär wieder nicht mit einer Ich-Aussage: "Wenn's gewünscht wird, wird man sich dem stellen. Man traut sich's auch zu."

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Quelle:
SZ vom 25.09.2018
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