Süddeutsche Zeitung

Bayerische Landtagswahl 2023:Jakob Koch wird Spitzenkandidat der Grünen

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Der 24-jährige Beuerberger erhält das Direktmandat für die Landtagswahl im Stimmkreis. Marius Schlosser tritt für den Bezirk an. Der Abgeordnete Hans Urban bleibt der Versammlung fern.

Von Benjamin Engel, Königsdorf

Auffällig still bleibt es bei den Grünen am Montagabend in der Jugendsiedlung Hochland um den, der bislang im Fokus stand. Von fünf kompetenten Bewerbern spricht Versammlungsleiter Wolfgang Schmid, als die Wahl für einen Grünen-Direktkandidaten im Stimmkreis zur Landtagswahl 2023 bereits gelaufen ist. Durchsetzen konnte sich der erst 24-jährige Beuerberger Jakob Koch. Für den Bezirkstag wird der 26-jährige Marius Schlosser aus Geretsried als Direktkandidat der Grünen antreten.

In drei Stunden ist dagegen der Landtagsabgeordnete Hans Urban aus Oberherrnhausen (Gemeinde Eurasburg) - der bei der Landtagswahl 2018 als Grünen-Direktkandidat im Stimmkreis Bad Tölz-Wolfratshausen-Garmisch knapp 21 Prozent der Erststimmen erzielte - keinmal erwähnt worden. Persönlich erschien er auch nicht, womöglich deshalb, weil er nach einem Vorfall mit einem Google-Auto und einer Verurteilung wegen falscher Verdächtigung und Nötigung innerhalb des Kreisverbands seiner Partei selbst ins Abseits geraten war.

Umso harmonischer scheint sich die Spannung unter den Grünen zu lösen, als beide Direktkandidaten feststehen. "Lasst uns loslegen", ruft Jakob Koch den lautstark klatschenden Parteimitgliedern entgegen. Der Lehramtsstudent für Sonderpädagogik konnte sich als Direktkandidat zur Landtagswahl im zweiten Wahlgang gegen den Lenggrieser Klaus Hanus mit 43 zu 31 Stimmen durchsetzen. Koch betont, dass er bewiesen habe, auch für ältere Bevölkerungsgruppen wählbar zu sein. Im Eurasburger Gemeinderat und im Kreisrat für Bad Tölz-Wolfratshausen sitzt er seit 2020. In Beuerberg sei er als früherer Ministrant, in der Feuerwehr und dem Burschenverein verwurzelt. "Ich lebe nicht nur in einer grünen Blase."

Als attraktiver, junger und dynamischer Gegenpol gegen eine alte, verbohrte Politik der bisher bestimmenden CSU hatte er sich in seiner Bewerbung dargestellt. Im Landkreis ist er Mitgründer der Grünen Jugend, zudem Fraktionssprecher und Jugendbeauftragter im Eurasburger Gemeinderat. "Wir wollen anpacken und sagen, was nicht passt", so Koch. Er fordert ein sozialinklusives Schulsystem und viel mehr Sozialwohnungen. Im hochpreisigen, regionalen Immobilienmarkt gleiche es einem Privileg für junge Leute, während der Ausbildung von zu Hause auszuziehen.

Zudem fordert Koch Mindeststandards für den öffentlichen Personennahverkehr. "Es muss möglich sein, dass in jedem Landkreis jeder von A nach B auch ohne Auto kommt." Ganz ohne Kfz werde es auf dem Land zwar nicht gehen, räumt er ein. Doch dem Zweitauto sagt Koch bayernweit den Kampf an. Genauso vehement tritt er für eine Energiewende ein, von der die Bevölkerung profitiere. "Das Walchenseekraftwerk und jedes Windrad gehört in die Hand der Bürger", so Koch. Der gegen ihn unterlegene Klaus Hanus kann als "grüner Zimmermann", wie er selbst für sich warb, bei der Versammlung punkten. Gerade im weniger "grünenaffinen" Handwerksmilieu, das es für eine erfolgreiche Klima- und Bauwende brauche, könne er damit punkten.

Dies reicht aber nur, um in den zweiten Wahlgang einzuziehen. Im ersten hatte er 23, Jakob Koch hatte 33 Stimmen gewonnen. Die Wolfratshauser Dritte Bürgermeisterin und Stadträtin Annette Heinloth, die Murnauerin Petra Daisenberger und der Garmischer Walter Burk waren mit 16, drei und einer Stimme ausgeschieden.

Dagegen war die Direktkandidatur für den Bezirkstag schon im ersten Wahlgang entschieden. Der 26-jährige Geretsrieder Marius Schlosser - Schriftführer im Grünen-Kreisverband Bad Tölz-Wolfratshausen und Mitarbeiter im Büro des Bundestagsabgeordneten Karl Bär - erreichte mit 43 mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen und damit das erforderliche Quorum. Der bisherige Grünen-Bezirksrat für Oberbayern, Georg Buchwieser kam auf 20 Stimmen. Auf Maria Demmel entfielen zwölf Stimmen.

Der Bezirk Oberbayern erfüllt etwa im Gesundheitswesen gesetzlich übertragene Aufgaben bei der medizinischen Versorgung in der Psychiatrie und Neurologie, ist als überörtlicher Sozialhilfeträger unter anderem für finanzielle Hilfen zur Pflege zuständig. Trotzdem erlebe er, dass Menschen über dessen Arbeit oft wenig wüssten, so Schlosser. "Ich will das bekannter machen." Konkret wolle er sich für mehr psychiatrische Kapazitäten für Kinder und Jugendliche einsetzen, bei denen die Pandemie Spuren hinterlassen habe. Der Bezirk müsse Projekte gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus wie den Erinnerungsort Badehaus in Wolfratshausen besser fördern.

Und Hans Urban? Der antwortet auf eine SZ-Anfrage am Folgetag nur knapp und schriftlich. "Ich habe mich nicht beworben", erklärt er. "Angeblich hat sich ja eine ganze Fußballmannschaft beworben, also mehr Leute als 2018 im Wahlkampf aktiv waren, das muss gut werden."

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