Süddeutsche Zeitung

Konzert:"Der Song ist wie ein klebriges Bonbon"

Lesezeit: 4 min

Mit "Bilder von dir" wurde Laith Al-Deen vor über 20 Jahren schlagartig bekannt. Am Sonntag tritt er beim Wolfratshauser Fluss-Festival auf. Ein Gespräch vorab - über Kreativität in der Pandemie, sein Burnout und Big Brother

Von Kathrin Müller-Lancé, Wolfratshausen

Kurz vor dem Telefoninterview ruft Laith Al-Deen an, er suche sich noch einen ruhigen Platz. Der 49-jährige Mu siker ist bei sich zu Hause in Mannheim. Er ist unheimlich nett, am liebsten würde ma n nach dem Gespräch ein Bier mit ihm trinken. Schade, dass es erst zehn Uhr morgens ist.

SZ: Herr Al-Deen, Sie treten dieses Jahr zum ersten Mal beim Wolfratshauser Fluss-Festival auf. Haben Sie einen Bezug zu diesem Ort?

Laith Al-Deen: Ich war tatsächlich noch nie in Wolfratshausen. Vom Fluss-Festival habe ich im Vorfeld aber Bilder gesehen, die sehr schön anmuten. Ich kenne dieses Eck nur von der Vorbeifahrt auf dem Weg nach Tutzing, weil ich dort das ein oder andere Mal bei Peter Maffay im Studio aufgeschlagen bin.

Das Konzert ist Ihr erstes nach dem jüngsten Lockdown. Wie fühlt sich das an?

Es fühlt sich seltsam an, aber auch sehr schön. Wahrscheinlich bin ich etwas aufgeregter als sonst. Die Proben sind eine Herausforderung, weil die letzten Proben lange zurück liegen und wir nicht einfach auf eingespieltes Material zurückgreifen können. Gerade die Songs des jüngsten Albums sind teilweise noch Neuland. Aber ich freue mich auf den Austausch mit meiner Band und dem Publikum.

Sie haben Ihr Album "Kein Tag umsonst" voriges Jahr mitten im Lockdown veröffentlicht. Eine schwierige Zeit für Sie als Künstler?

Ein Album zu veröffentlichen, ohne vor Publikum auftreten zu können, ist für einen Live-Musiker wie mich nicht einfach. Promo-Termine konnte ich wegen Corona nur sehr wenige wahrnehmen. Dadurch hatte ich manchmal das Gefühl, nicht alles getan zu haben, was möglich gewesen wäre. Im Gegensatz zu anderen Kollegen bin ich auch nicht in eine unbändige Schaffensphase gefallen, aber jetzt bin ich wieder aus der Lethargie rausgekrochen.

Sie haben drei Kinder. Waren Sie auch mit Homeschooling beschäftigt?

Ja, ich habe viel gealltagt. Es geht doch relativ schnell, dass man sich von dem Rock 'n' Roll-Faktor im Leben entfernt. Das hätte ich nicht erwartet. Der Rock 'n' Roll sucht und findet einen aber auch wieder.

Wie zeigt sich das?

Indem ich die häuslichen Strukturen, die sich in der letzten Zeit aufgebaut haben, wieder verlasse. Ich konzentriere mich wieder mehr aufs Musizieren - und zwar spontaner. Wenn man Kinder im Haus hat, ergibt das total Sinn, sein Schreiben zu disziplinieren. Nur ist das dem Schreiben oft egal. Und dann sitzt du unter Umständen total diszipliniert da, aber es kommt nichts dabei rum.

Auf dem Cover für Ihr neues Album lachen Sie - eine eher ungewöhnliche Pose für Sie .

Ich habe mal über mich gelesen, ich würde Herbstalben schreiben. Das neue Album ist eher ein lebensbejahendes. Es geht in den Songs darum, sich für sich selbst einzusetzen. Das ist viel leichter gesagt als getan, zumindest wenn man keine totale Frohnatur ist. Und ich bin keine.

Im Jahr 2014 hatten Sie ein Burnout.

Ich glaube, ich habe mich da selbst vernachlässigt, ohne es zu merken. Einfach nicht mehr auf mich geachtet. Wenn man genügend Faktoren hat, die einen ablenken, schlittert man da so gemütlich rein - und wenn man Glück hat, so wie in meinem Fall, meldet sich der Körper zu Wort. Ich habe schon lange einen Tinnitus, aber der hat damals ordentlich zugelegt. Dann ging das Herzrasen und Herzflattern los, ich hatte Schwindel. Ich war bei verschiedenen Ärzten. Irgendwann wurde klar, dass das nicht vom Körper ausging, sondern vom Kopf.

Wie kamen Sie da wieder raus?

Ich bin in Therapie gegangen. Mit meiner Therapeutin zu sprechen und zu reflektieren, hat mir sehr geholfen. Das meiste muss am Ende in dir selbst passieren. Die erste Reaktion kam damals von einem Radiomoderator, der mich interviewte, der lief vor der Sendung auf mich zu und sagte: Ich hatte auch ein Burnout. Das war so offen und ehrlich, da wusste ich: Drüber reden hilft, auch in der Öffentlichkeit. Heute würde ich sagen, ich bin da gestärkt rausgegangen, und ich hoffe, das bleibt so.

Ihr Song "Bilder von dir" hat Sie im Jahr 2000 schlagartig bekannt gemacht.

Naja, am Anfang wollte das Lied im Radio niemand spielen. Als deutsche Popsänger mussten wir um unsere Existenz als Nicht-Schlager-Musiker kämpfen, das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Irgendwann hat die erste Big-Brother-Staffel den Song als Musik für ihre Rückblenden benutzt. Ich bin in einer dieser unsäglichen Live-Shows aufgetreten, und dann machte das irgendwie Peng. Wobei der Song zahlenmäßig gar nicht so erfolgreich war, er lief einfach nur sehr oft im Radio.

Gab es eine Zeit, in der Sie den Song gar nicht mehr auf Konzerten spielen wollten?

Unbedingt. Ich langweile mich musikalisch unfassbar schnell, am liebsten würde ich mein Tourprogramm nach drei Tagen komplett umstellen. Wir haben mindestens acht verschiedene Versionen von "Bilder von dir" gespielt, als Swing- und House-Version, sogar - mit ganz vielen Fragezeichen - als Drum-and-Bass-Version. Ein paar Konzerte haben wir ihn ganz weggelassen, aber das war irgendwie auch nichts. Inzwischen bin ich ein ganz guter Freund mit dem Ding. Der Song ist ein bisschen wie ein klebriges Bonbon - lecker, aber hängt dann noch am Schuh.

Er hat Sie auch lange in eine Schublade gesteckt, Sie wurden "Schmusepapst" genannt.

Auf der einen Seite fand ich das ganz schön, Papst muss man ja erst mal werden. Auf der anderen Seite war das komisch, ich komme ja ursprünglich vom Rock, meine Haare waren früher lang, die Gitarren waren hart, ich wollte immer unglaublich cool sein.

Sie wären eigentlich lieber Rockmusiker geworden?

Ich höre privat viel Metallica-Altbestand, auch die Kinder lieben englischen Hardrock. Und ich doktere schon viel zu lange an einem eigenen Rock-Album herum. Es gibt da durchaus konkrete Songs und Pläne. Natürlich ergibt das eigentlich überhaupt keinen Sinn für mich, so ein Album zu veröffentlichen, vielleicht wird das der Rock-Flop des Jahres - aber das ist ja gerade das Schöne daran.

Laith Al-Deen beim Fluss-Festival an der Alten Floßlände in Wolfratshausen: Sonntag, 18. Juli, Einlass: 18.30 Uhr, Beginn: 20 Uhr, Karten kosten im Vorverkauf 49 Euro (44 Euro ermäßigt); weitere Informationen im Internet unter www.flussfestival.wolfratshausen.de

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Quelle:
SZ vom 16.07.2021
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