Süddeutsche Zeitung

In Kochel am See:Trost aus Marmor

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Mit dem Abrissbeginn am Kochler Verstärkeramt hat die Gemeinde Fakten geschaffen. Ein architektonisches Detail des Gebäudes aber soll erhalten bleiben

Von Florian Zick, Kochel am See

Das ehemalige Verstärkeramt in Kochel am See kommt nun weg.

Seit Samstag sind auf dem Gelände an der Bahnhofstraße die Abrissbagger unterwegs. Stück für Stück wird das eigentlich denkmalgeschützte Bauwerk aus der Postbauschule nun abgetragen - erst die asbesthaltigen Bauteile, dann die Gebäudetechnik und Einbauten wie Türen, Fenster und Böden, am Ende dann auch die Grundmauern. Der Abbruch ist kaum mehr aufzuhalten, auch wenn Denkmalschützer noch versuchen, einen Baustopp zu erwirken. Doch bevor die Bauarbeiter am Wochenende losgelegt haben, wurde zumindest noch ein architektonisches Detail gerettet.

Über einer Eingangstür an der Ostseite des Verstärkeramts war ein kleines Relief angebracht. Dieses habe man abgenommen und dann erst einmal recht achtlos an der Straße abgestellt, schimpft SPD-Gemeinderat Klaus Barthel. Irgendwann habe es die Gemeinde aber dann abholen lassen, sagt Barthel. Glücklicherweise habe es in der Zwischenzeit niemand mitgenommen.

Bürgermeister Thomas Holz (CSU) bestätigt, dass die Gemeinde das Fresko eingelagert habe. Wo genau, will er mit Hinweis auf die vielen Schaulustigen, die sich derzeit immer wieder auf dem Gelände des Verstärkeramts tummelten, nicht verraten. Nicht, dass das historische Bauelement am Ende noch geklaut wird. "Es ist aber an einem sicheren Ort verwahrt", verspricht der Bürgermeister.

Das Relief soll auf dem Gelände an einem prominenten Platz wieder angebracht werden. Wo momentan noch das Verstärkeramt steht, will die Gemeinde im Wesentlichen einen neuen Bauhof und kommunale Wohnungen errichten. Dort soll das Relief irgendwo integriert werden. "Es ist ja auch ein Stück Geschichte der Gemeinde Kochel", sagt Holz.

Das Verstärkeramt darf deshalb abgerissen werden, weil die Gemeinde schon einen Bebauungsplan aufgestellt hatte, bevor das Gebäude - erst anderthalb Monate später - unter Denkmalschutz gestellt wurde. Schon in vier bis fünf Monaten wird von dem einstigen Behördensitz außer ein paar Andenken und Erinnerungsstücken nichts mehr übrig sein.

Zu diesen Erinnerungsstücken gehört auch das Relief von der Ostseite des Gebäudes. Es besteht aus Untersberger Marmor und zeigt offenbar eine Brieftaube, die gerade gefüttert wird, um sie "stärker" zu machen - eine Allegorie für das Verstärkeramts selbst. Zu Zeiten des analogen Telefonierens wurden elektrische Signale hier schließlich über eine Relaisstation verstärkt. Die Brieftaube steht somit als Symbol für die Nachrichtenübertragung.

Eigentlich hätte man das Verstärkeramt als Ganzes erhalten müssen, findet der Weilheimer Architekt Heiko Folkerts, der sich schon länger für die Rettungs des 1930er-Jahre-Baus einsetzt. Auch andere Architektur- und Kunsthistoriker hätten den geschichtlichen Wert des Gebäudes immer wieder betont, sagt Folkerts. Darunter auch anerkannte Größen wie der Architekt Wolfgang Voigt, Wolfgang Sonne, der Vize-Direktor des Deutschen Instituts für Stadtbaukunst, oder Christoph Hölz vom Archiv für Baukunst in Innsbruck.

Auch er empfinde den Abriss des Verstärkeramts als Verlust, sagt Sebastian Salvamoser, der junge Chef des SPD-Ortsvereins in Kochel. Salvamoser hat selbst Kunstgeschichte studiert. Dass zumindest das Relief mit der Brieftaube gerettet worden ist - ein schwacher Trost. Er hätte sich gerne noch für den Erhalt des Gebäudes eingesetzt. Aber mit dem nicht groß angekündigten Abrissbeginn habe der Bürgermeister nun unumkehrbare Fakten geschaffen.

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SZ vom 12.11.2020
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