Süddeutsche Zeitung

Geretsried:120 Arbeitsplätze in Gefahr

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Insolvenzverwalter Josef Hingerl übernimmt die Geschicke der Großmetzgerei Sieber. Sollten die Mitarbeiter entlassen werden, dürfen sich die meisten Hoffnung auf eine neue Stelle machen

Von Benjamin Engel, Geretsried

Das Gelände der Großmetzgerei Sieber mit Sitz in Geretsried ist am Dienstagnachmittag verwaist. Nur ein Auto steht auf dem Mitarbeiterparkplatz hinter dem geschlossenen Werkstor. Kein Laut dringt nach außen: Erst kurz zuvor hat die Metzgerei Insolvenz angemeldet. Damit ist das Unternehmen elf Tage nach der Listerien-Warnung, dem Produktionsstopp und dem Rückruf mehrerer Hundert Tonnen Fleischwaren am Ende.

Noch am frühen Nachmittag hat das Amtsgericht Wolfratshausen Rechtsanwalt Josef Hingerl zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Seine Aufgabe ist es, das Unternehmensvermögen zu sichern, zu verwerten und an die Gläubiger zu verteilen. Wie es mit dem Betrieb und damit den 120 Mitarbeitern weitergeht, ist noch unklar. Doch die Arbeitsagentur in Rosenheim gibt den meisten Mitarbeitern im Fall einer Entlassung gute Chancen, in der Region neue Stellen zu finden.

Firmenchef Dietmar Schach hat den Schlussstrich am Dienstag um 11.30 Uhr gezogen: "Bis zum Schluss habe ich um mein Unternehmen gekämpft und alles versucht, um die Arbeitsplätze für meine Mitarbeiter, die mir sehr am Herzen liegen, zu retten", teilt er mit. "Doch ich habe den Kampf verloren." Eigentlich hatte er die Erklärung selbst verlesen wollen, aber dazu war er nicht mehr in der Lage. Sein Lebenswerk ende nämlich mit diesem Tag. "Die Zukunft der Firma Sieber liegt nun in anderen Händen."

Vor den Produkten des Unternehmens hatte das bayerische Verbraucherschutzministerium am 27. Mai gewarnt. Das Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen hatte einen Produktionsstopp verhängt. Das Verbot belastete Sieber mit 100 000 Euro täglich. Außerdem musste die Metzgerei bis zu 300 Tonnen Waren im Wert von vier Millionen Euro zurückrufen. Die Gesundheitsbehörden halten eine Verbindung zu einem 2012 begonnenen Listeriose-Ausbruch mit 80 Kranken und acht Toten für wahrscheinlich.

Schach bedankt sich für den Zuspruch vieler Kunden und Lieferanten - und beim Geretsrieder Bürgermeister Michael Müller (CSU) und dem Tölzer Landrat Josef Niedermaier (FW). Darüber hinaus fühlt sich der Metzgerei-Chef allerdings von der Politik allein gelassen. Ein "Runder Tisch" mit allen Behörden sei abgelehnt worden.

An die 60 der insgesamt 120 Mitarbeiter der Großmetzgerei Sieber sind sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Relativ viele von ihnen haben keine abgeschlossene Berufsausbildung, sind als Helfer tätig und zum Teil bereits älter, erklärt Katharina Kristen, Pressesprecherin der Arbeitsagentur Rosenheim. Trotzdem gibt sie ihnen gute Chancen im Fall einer Kündigung in anderen Betrieben der Region unterzukommen. Im Lebensmittelbereich meldeten die Arbeitgeber im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen derzeit 50 offene Arbeitsstellen, 30 offene Stellen im kaufmännischen Umfeld. Allerdings könne es für den ein oder anderen schwierig werden.

Zur Situation der Mitarbeiter mit Werkverträgen hat die Agentur-Pressesprecherin dagegen noch keine genauen Informationen, etwa über deren Qualifikationen. Laut Kristen hat die Arbeitsagentur dem Unternehmen aber inzwischen angeboten, die Mitarbeiter darüber zu informieren, wie es jetzt weitergehen kann.

Landrat Niedermaier bedauert die Insolvenz, verteidigt aber die harten Maßnahmen der Behörden. Für Bürgermeister Müller ist die Insolvenz von Sieber eine "tragische Geschichte". Aus seiner Sicht ist es bedauerlich, dass ein wichtiges, überregional tätiges Traditionsunternehmen unter die Räder gekommen ist. Nach der Insolvenz fühlt er mit allen Beschäftigten von Sieber mit: "Ich hätte mir das anders gewünscht." Er verstehe das Verhalten der Gesundheitsbehörden. Um über die Zukunftsperspektiven des Unternehmens zu diskutieren, hätte er allerdings einen "Runden Tisch" bevorzugt. Jetzt muss aus seiner Sicht zunächst einmal das Insolvenzverfahren abgewartet werden. Er kündigt an, dass die Stadt als Vermittler bereit stehe, auch wenn sie formal nicht zuständig sei.

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SZ vom 08.06.2016
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