Süddeutsche Zeitung

Gaißacher Ladensterben:Das war dann alles

Lesezeit: 2 min

Maria Kerber schließt am Samstag ihren Kramerladen in Gaißach - für immer. Die vielen Vorschriften machten das Geschäft nicht mehr rentabel, sagt sie

Von Silver Lucia Breitkopf, Gaißach

Maria ist sauer. Sie steht mit einer Schürze in ihrem kleinen Kramerladen, die grün gestreifte Markise ist noch nicht ausgefahren, es ist noch Mittagspause. Seit elf Jahren ist sie Inhaberin und Betreiberin von "Maria's Kramerladen" in Gaißach. Seit elf Jahren beliefert sie der Edeka-Markt in Landsberg. Doch jetzt macht dieser ihr einen Strich durch die Rechnung. Der Umsatz sei zu gering, sie werde deshalb künftig nur noch alle zwei Wochen beliefert. Punkt, fertig. "Wie soll das denn funktionieren?", fragt Maria.

Als Maria Kerber den Laden 2008 übernommen hat, sah das noch anders aus. Klar, die ersten Jahre seien hart gewesen, aber die Regale seien stets voll bestückt gewesen. Als dann aber immer mehr Vorschriften gekommen seien, sagt Kerber, die sie mit ihrem Lädchen genauso zu erfüllen hatte wie die großen Ketten, da sei es schwieriger geworden. "Ich musste immer mehr draufzahlen, irgendwann rentiert es sich nicht mehr." Und nun auch noch der Streit mit Edeka. Da zog die 55-Jährige die Reißleine. Am Samstag öffnet sie ihren kleinen Laden zum letzten Mal.

Supermarkt-Ketten sind nicht darauf ausgelegt, auch kleine Läden mitzuziehen. Große Filialen machen mehr Umsatz, das ist rentabler. So fährt nun jeden Tag der Edeka-Lieferwagen an ihrem Geschäft vorbei. Halten tut er nicht. Das sei das, was ihr so ungerecht erscheine, sagt Kerber. Sie fühlt sich, als hätte man ihr den Boden unter den Füßen weggezogen. Sie hat nach alternativen Lösungen gesucht - vergebens. Nun ist sie erschöpft und frustriert. Was mit den Räumlichkeiten passiert, in denen schon seit sie denken kann ein Kramerladen war, weiß sie nicht.

Viele ältere Leute aus Gaißach hätten dankbar bei ihr eingekauft, erzählt Kerber. Der Weg bis zum nächsten Supermarkt sei doch recht weit und zu Fuß nicht für jeden zu schaffen. Auch der Metzger nebenan wird es schwerer haben. Sie hatten stets voneinander profitiert. Auf die Frage, ob sie so einen Kramerladen noch einmal übernehmen würde, weiß sie keine rechte Antwort. Der Aufwand, die ganze Rumärgerei. Aber dann lächelt sie: "Ach, wir hatten auch gute Zeiten. Es hat auch viel Spaß gemacht. Die Erfahrungen mit den Kunden, die Gespräche, die Freundschaften, die entstanden sind - das war toll."

Kerber erzählt von einem Stammkunden, der mit Kummer zu ihr kam. Ihm habe sie einen Schnaps eingeschenkt, sich Zeit für ihn genommen und ihn aufgebaut. Oder der kleine Junge, der sie bat nicht seiner Mama zu erzählen, dass er sich so viele Süßigkeiten kauft. Während sie erzählt, wird ihr Gesicht weicher. Und obwohl ihr mit der Geschäftsaufgabe eine enorme Last von den Schultern falle, werde sie den Laden auch vermissen, sagt sie.

Sie möchte nicht nur Negatives sagen. Es habe sich auch vieles durchaus zum Positiven verändert. Ihr sei zum Beispiel aufgefallen, sagt Kerber, dass die Kunden in den vergangenen Jahren ihre regionalen Produkte, die sie vom Bauern, Imker und dem Weingut in der Umgebung holt, mehr zu schätzen wissen. Es freue sie, dass die Kundschaft bewusster auf Regionalität und Qualität achte. Auch die Liebe zum Detail, die ihr persönlich so wichtig sei, werde von den Kunden wahrgenommen. Vor ihrem kleinen Lädchen hat sie zum Beispiel zwei Tafeln aufgehängt, auf die sie jeden Tag einen anderen Spruch schreibt. Die Kunden freuten sich immer über die Zeilen, sagt Kerber. Aktuell verkündet die eine Tafel beispielsweise recht vielsagend: "Bevor ich mich jetzt aufrege, isses mir lieber egal."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4578992
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 29.08.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.