Süddeutsche Zeitung

Wellness:Mit dem Lama zum Yoga und dann mal richtig runterkommen

Lesezeit: 3 min

Wanderungen mit den flauschigen Tieren sind der neue Anti-Stress-Trend. Im oberbayerischen Eurasburg kann man sie nun sogar mit Yoga kombinieren. Na dann: Lamasté!

Von Viktoria Spinrad, Eurasburg

Gerade soll Maria Leicht auf ihrer Yogamatte die Schulter kreisen lassen, da ertönt es wieder: ein blökendes "Öhhhh". Es kommt von Saphir, der nur ein paar Meter weiter seine ganz eigenen Kreise zieht. Die Entspannungs-Mantras am See scheinen das schwarze Lama nicht zu interessieren. Eher das, was sich da hinter den Bäumen abspielt. Vielleicht ein Reh? Oder ein Fuchs? Nervös läuft das Tier am Strick umher, zuckt mit den bananenförmigen Ohren. Sein Blöken wird zum beständigen Sound dieser Yogastunde.

Willkommen bei "Lamasté", einer Fusion von Lama und Yoga. Um eine tierische Variante der Entspannung auszuprobieren, ist Maria Leicht mit zwei Freundinnen und einem kleinen Tross in Eurasburg aufgebrochen. Der Plan: Erst das Lama Gassi führen, dann die Yogamatten am See ausrollen und selbst das Lama machen. Drei entspannungshungrige Zweibeiner plus drei einfach nur hungrige Paarhufer vom Typ "stark bewollt" - kann das funktionieren?

Anderthalb Stunden zuvor auf dem Lamahof in der Königsdorfer Straße. Es ist kurz nach acht Uhr morgens, der Nebel hängt noch über Eurasburg - und die Yogamatten über dem später nervösen Saphir, dem Mitläufer Lamorik und dem Alpha-Lama Samayawi. "Sie spucken keine Menschen an", versichert Lama-Dompteur Oliver Wahl, 46. Etwas zögerlich nehmen dann schließlich Ingrid Schuh, 27, Maria Leicht, 27, und Kerstin Preda, 40, je einen flauschigen Herren am Führstrick. Im Tross mit Yogalehrerin Michaela Griesmann und den Lamahaltern soll es in der kommenden Stunde in Richtung See gehen, um den neuesten Business-Clou mit den trendigen Tierchen zu testen - denn einfaches Yoga war gestern.

Das artistische Acroyoga, heißes Bikram-Yoga, das meditative Hatha-Yoga - Maria Leicht hat schon mehrere Formen der großen Yogapalette getestet. Als sie von ihrer Yogalehrerin Griesmann von dem neuen Format erfuhr, wollte sie "etwas Neues ausprobieren" - und packte ihre beiden Freundinnen mit ein. Die drei haben jeweils 69 Euro für die drei Stunden gezahlt. Das Ziel: Runterkommen, Ausgleich finden, in der Natur sein.

Gemeinsam geht es die Straße runter in Richtung Weiher. Schnell wird klar: Yvonne und Oliver Wahl können stundenlang über ihre Lamas sprechen. Leicht, Preda und Schuh erfahren: Lamas sind Herden- und Fluchttiere, können sich im Spiegel erkennen, Temperaturen zwischen Minus 15 und 25 Grad plus gut ertragen und sind verglichen etwa mit Pferden pflegeleicht in der Haltung. Eine gewisse Haltung ist wiederum an manchen Stellen auch erforderlich, um die Tiere überhaupt zum Ziel zu bringen.

"Komm", sagt Ingrid Schuh und zupft an Saphirs Führstrick. Der ist stehen geblieben, seine flauschigen Ohren drehen sich in Richtung eines Apfelbaums. An einer anderen Stelle trabt er plötzlich bergab, Oliver Wahl muss sich dem 150 Kilo schweren Lama mit ausgebreiteten Armen entgegenstellen. Ansonsten trotten die Tiere mit den langen Wimpern und dem schaukelnden Gang genügsam neben den Ausflüglern her und lassen die Yogamatten wippen.

Seit sechs Jahren sind die Wahls stolze Lamabesitzer. Mit ihrer mittlerweile zehnköpfigen Herde gehen sie in den Karwendel, auf Shows und auch mal zum Wahllokal oder zum Supermarkt. Eben nicht mit dem Hund, und auch nicht zu Pferd. Denn laut Yvonne Wahl sind Lamas herzlich, ausgleichend, "richtige Charakterviecher" eben. Die kommen auch bei der nach Ausgleich suchenden Kundschaft an: Lamas liegen voll im Zeitgeist, Wanderungen mit ihnen scheinen mittlerweile allerorts offeriert zu werden. Die Wahls bieten auch Patenschaften an, ihr "Lamasté" allerdings ist neu, ein Produkt der Nachbarschaft mit Yogalehrerin Griesmann.

Am See angekommen leitet sie in klassischer Yogaposition das Mantra ein. Während Saphir, Lamorik und Samayawi ihre strubbeligen Köpfe hinter ihr nach dem Heu-Frühstück senken, lassen die Frauen ihre Arme und Hände sinken. Augen schließen, Atem fließen lassen, Geräusche bewusst wahrnehmen. Hier ein Auto, da ein hüpfender Fisch, dort ein Lama-Blöken. Letzteres haben die drei offenbar längst ausgeblendet: Besonnen und beseelt widmen sie sich ihren Becken, Schultern und Handgelenken - als wäre das Tröten der Trampeltiere der selbstverständlichste Teil ihres Kosmos.

Der besteht bei den Frauen unter der Woche aus Psychologie (Leicht), Controlling (Schuh) und Ergotherapie (Preda). Allesamt Jobs, in denen man mit Menschen zusammenarbeiten und den Überblick behalten muss. Die Lamas hingegen wirken mit ihren großen Augen, flackernden Bananenohren, süßen Schnuten und kurzen Beinchen wie in Form gegossene Kindchenschemata, wie maximal liebenswürdige Flauschbällchen - und bieten so das Potenzial für unbeschwerte Stunden, weit weg von einer immer unübersichtlicheren Welt.

Unbeschwert wirken nun auch Leicht, Preda und Schuh. Zurück auf dem Lama-Hof giggeln die drei Frauen zwischen den Lamas. "Er hat sich an mir gerubbelt", sagt Initiatorin Leicht und fährt einem der Tiere liebevoll durch das flauschige Fell. Später verfällt sie dann noch einem Paar Ohrringen aus Lama-Fell, die die Wahls neben anderen Sachen verkaufen. Für 23 Euro gibt es das konservierte Lama-Gefühl to go - Ohrringe, die sich so flauschig anfühlen, dass man das Lama fast wieder blöken hört.

Mehr Informationen unter www.rio-lamas.com

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Quelle:
SZ vom 27.08.2019
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