Süddeutsche Zeitung

Festival fällt aus:Geretsrieder Kulturschock

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Der Veranstalter sagt das städtische Herbst-Festival wenige Tage vor Beginn ab und meldet Insolvenz an. Verkaufte Tickets verlieren ihre Gültigkeit.

Von Claudia Koestler, Geretsried

Es habe ihn "völlig kalt erwischt", er sei "wie vom Blitz getroffen" und die Nachricht fühle sich "wie eine Ohrfeige" an: Geretsrieds Bürgermeister Michael Müller (CSU) ist schockiert, überrascht und enttäuscht zugleich darüber, dass der Geretsrieder Kulturherbst 2016 nicht stattfinden wird. Der Grund für die Absage: Veranstalter Florian Zwipf-Zaharia wird an diesem Freitag mit seiner Gesellschaft "Cultus Production GmbH" Insolvenz beim Amtsgericht Kempten anmelden. Das erklärten Müller und Pressesprecher Thomas Loibl am Donnerstag in einer eilends einberufenen Pressekonferenz.

"Zwipf-Zaharia war am Mittwochabend bei mir und hat mir mitgeteilt, dass es schwierig für ihn werde", sagte Müller. Der Veranstalter war am Donnerstag für eine Stellungnahme nicht zu sprechen. Müller aber händigte dessen schriftliche Absage gegenüber der Stadt aus. Darin gibt der Füssener Veranstalter als Grund für die Absage die "schlechte Ticketverkaufslage" für den Geretsrieder Kulturherbst an. Das sei "sehr bedauerlich für die Geretsrieder Kulturszene und die Interessierten von hochwertigen Kulturveranstaltungen im Allgemeinen", schreibt Zwipf-Zaharia. Doch auch mit einem abwechslungsreichen Programm könne er offenbar rückläufigem Publikumsinteresse "nichts entgegen setzen". Für seine Gesellschaft habe diese Entwicklung "dramatische Konsequenzen", schließt der Veranstalter, nämlich die Insolvenz.

Der 58-Jährige, der auch für den Garmischer Kultursommer verantwortlich zeichnet, hatte nach einer Ausschreibung erstmals die Organisation für den Kulturherbst in Geretsried vom 1. bis zum 9. Oktober übernommen. Im März hatte der Kartenvorverkauf begonnen. Das Festival hätte laut Programm eine große Vielfalt von regionalen Künstlern bis zu nationalen Bekanntheiten gezeigt. Umso überraschender nun das Aus: "Damit war nicht zu rechnen, denn bis vor zwei Tagen war die Botschaft noch eine andere", sagte Müller angesichts der Ankündigungen für das Festival. "Wir wären zu Gesprächen bereit gewesen, aber es ging ja alles so schnell", bedauerte Müller. "Wir hatten keine Chance, darauf zu reagieren".

Das Problem sei jetzt, "was tun?", sagte Müller. Der Ticketverkauf wurde umgehend gestoppt. Was mit den bereits gekauften Eintrittskarten, die bis zu 34 Euro kosteten, passiere, müsse im Rahmen des Insolvenzverfahrens geklärt werden, sie verlieren aber ihre Gültigkeit. Wie viele Tickets bereits über den Tresen gingen, konnte Müller nicht abschätzen. Die Stadt Geretsried könne nun nicht als Veranstalter einspringen. Zum einen seien die Verträge mit den Künstlern über Cultus Productions geschlossen worden, die könne die Stadt nicht übernehmen, wenn die Firma insolvent sei. Zum anderen habe es "gute Gründe" gegeben, warum die Stadt die Organisation des Festivals an einen externen Veranstalter vergeben habe, nämlich unter anderem einen Prüfungsvermerk des Rechnungsprüfungsausschusses.

Seit 2006 wird der Kulturherbst in Geretsried veranstaltet, in zweijährigem Turnus. Aus einer ehrenamtlichen Initiative des Kulturforums entstand ein großes Festival, das Günter Wagner im Auftrag der Stadt organisierte. Das Defizit von zuletzt 115 000 Euro trug die Stadt. Zwipf-Zaharia hingegen hätte sein Budget selbst erwirtschaften müssen. Die Stadt hat sich aber zu einer Ausfallbürgschaft von maximal 80 000 Euro verpflichtet. Ob diese nun zur Insolvenzmasse zähle, wird laut Müller rechtlich geprüft.

Dass sich zumindest die Geretsrieder Künstler doch präsentieren werden, ist eine mögliche Lösung, die Müller mit dem Stadtrat klären will. "Wir werden auch mit dem Kulturforum sprechen, was wir machen können", versprach er. Laut Assunta Tammelleo vom Kulturverein Isar-Loisach wird die Ausstellung in der Villa Bunterkunst wie geplant stattfinden.

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SZ vom 23.09.2016
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