Süddeutsche Zeitung

Feiern in Penzberg:Zapfenstreich

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Die Penzberger "Alibi Disco & Bar" schließt für die Öffentlichkeit. Die Betreiber ziehen damit die Konsequenz aus einer Verwarnung, nachdem ein Gast zu tief ins Glas geschaut hat

Von Viktoria Spinrad, Penzberg

Eigentlich wollten es Feierfreudige am Wochenende in der "Alibi Disco & Bar" wieder krachen lassen. Doch aus der After-Party nur wenige Schritte vom Penzberger Volksfestgelände wird nichts. Wie der Betreiber mitteilt, soll ein Dreivierteljahr nach der Neueröffnung Schluss sein mit öffentlichen "Mallorca Partys", "Happy Fridays" und "Après Ski Partys". Die Lokalität soll nur noch für private Veranstaltungen vermietet werden.

Auslöser ist eine Verwarnung vom Landratsamt Weilheim-Schongau, die Betreiberin Daniela Kunz im August erhalten hat. Das Schreiben bezieht sich auf einen Vorfall im Juni. Damals hatte sich ein sturzbetrunkener Gast zum Schlafen auf den Boden gelegt, die Betreiber riefen die Polizei. Die nahm den Mann zur Ausnüchterung mit - und setzte einen seltenen Hebel in Bewegung: Weil die Veranstalter dem betrunkenen Mann nichts mehr hätten ausschenken dürfen, sollen sie ein Strafgeld zahlen. Konkret geht es um Paragraf 20 des Gaststättengesetzes. Demnach ist es verboten, "in Ausübung eines Gewerbes alkoholische Getränke an erkennbar Betrunkene zu verabreichen". Ein Gesetz, das Feiernde vor Alkoholmissbrauch schützen soll - und Wirte oft vor ein Dilemma stellt. Dann ab wann ist jemand schon "erkennbar betrunken"?

Laut Kommentar zum Gaststättengesetz ist das der Fall, "wenn bereits ein akuter Zustand eingetreten ist, in dem der Betroffene sein körperliches Gleichgewicht offensichtlich verloren hat beziehungsweise durch bedeutende körperliche Ausfallerscheinungen auffällt." Die Wirtsleute bestreiten derartige Anzeichen bei dem Mann.

Nach den Schilderungen von Robert Kunz habe sich der Mann zunächst nicht auffällig verhalten. Er habe mit zwei weiteren Männern an der Bar gesessen. Alle hätten "ganz normal" getrunken, sich gegenseitig Getränke ausgegeben. Als die beiden zum Rauchen rausgingen, habe der Mann angefangen, sich daneben zu benehmen. "Er hat Leute beleidigt und sich auf den Boden schlafen gelegt. Wir wussten nicht, was wir mit ihm machen sollten", sagt Kunz - er rief die Polizei. Eine Entscheidung, die der Penzberger Polizeichef Jan Pfeil im Nachhinein lobt. "Es war gut, dass sie angerufen haben", sagt er. So habe man den Mann zur Ausnüchterung in Schutzgewahrsam nehmen können. Das Bußgeldverfahren gegen die Betreiber sieht er dennoch als gerechtfertigt an: Wenn der Mann nach Mitternacht so stark alkoholisiert war "dann war es zuviel, dann hätte man ihn vorher stoppen müssen", sagt er.

So sieht es auch das Ordnungsamt, das dem Verfahren als Ahnungsbehörde stattgab. Aus Sicht des Landratsamts sei der Tatbestand der Ordnungswidrigkeit "sinnvoll und nachvollziehbar", so eine Sprecherin. Wie viel die Barbetreiber nun zahlen müssen, will man mit Blick auf das laufende Verfahren nicht sagen.

Es ist nicht das erste Mal, dass es Streit rund um die zentrale Location gibt. Bereits als die Bar unter der vorherigen Pächterin noch "Hüttenkeller" hieß, waren Ruhestörungen, Sachbeschädigung und Wildpinkler Thema. Das Problem: Die Tanzbar liegt mitten im Wohngebiet, sodass etwaiger Lärm die Anwohner so verlässlich erreicht wie das Amen in der Kirche erklingt.

Daniela und Robert Kunz wollten es trotzdem probieren. Ende 2018 übernahmen sie die Location und verwandelten sie in eine moderne Tanzbar. Es gab Discofox-Nächte, Faschingspartys, "Candys Shop" - so mancher dürfte sich gefreut haben, es mitten in Penzberg wieder krachen lassen zu dürfen.

Damit ist nun Schluss. Zwar bedeutet das Verfahren nicht, dass die Wirtsleute ihre Discobar nicht mehr betreiben dürfen. "Aber wenn wir wegen so etwas eine Anzeige kassieren, dann bleibt es nicht bei einer und dann hat es keinen Zweck", sagt Robert Kunz. Er sieht die Anzeige als eine Art Warnschuss einer überlasteten Polizei, die sich so noch mehr Zusatzarbeit vom Hals halten möchte.

Doch Polizeichef Pfeil möchte nicht den Buhmann spielen: "Wir sind nicht überlastet", sagt er. Der Paragraf diene dem Schutz des Gastes. Wer zuviel trinke, könne gesundheitliche Probleme bekommen, begehe eher Straftaten und bringe sich und oder andere eher in Gefahr. Er betont: "Wir wollen kein Exempel statuieren. Wir sind für die Leute da und nicht gegen die Leute."

Die zeigen sich auf der Facebook-Seite der Tanzbar enttäuscht bis gereizt. Eine Frau fragt rhetorisch: "Und was ist auf der Wiesn? Da ist doch ab 'ner gewissen Uhrzeit jeder Zweite betrunken." Eine andere mokiert sich über den Unterhaltungswert der Stadt: "Typisch Penzberg, des is einfach a Rentnerstadt." Gereizt zeigt sich auch Kunz. Er habe weder die Nerven noch die Zeit, sich mit Stellungnahmen an die Behörden zu beschäftigen. Die Konsequenz: "Bei uns wird es keine öffentlichen Veranstaltungen mehr geben." Lieber vermiete man nur noch an Veranstalter. Denn jedem Gast nur noch einen Schnaps auszuschenken, "das ist wirtschaftlich nicht interessant".

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Quelle:
SZ vom 04.09.2019
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