Süddeutsche Zeitung

Digitialisierung:"Zeitenwende" im Landratsamt

Lesezeit: 3 min

Bad Tölz-Wolfratshausen hat zusammen mit fünf anderen Landkreisen eine Strategie für die digitale Kreisverwaltung entwickelt. Unklar ist jedoch, woher das nötige Fachpersonal für die Umsetzung der Maßnahmen kommen soll.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz-Wolfratshausen

Videokonferenzen und Home-Office, Online-Anträge und IT-Sicherheit: Die Zukunft ist digital, das gilt auch für Behörden. Der Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen hat deshalb zusammen mit fünf anderen Landkreisen in Bayern eine Strategie für die Digitalisierung entwickelt. "Solange wir unsere eigenen Hausaufgaben nicht gemacht haben, brauchen wir nicht nach außen hin zu reden", sagte Landrat Josef Niedermaier (FW) im Kreisausschuss des Kreistags. Klar wurde in der Sitzung allerdings auch, dass das Landratsamt die Digitalisierung mit dem vorhandenen Personal kaum alleine zu stemmen vermag. Deshalb soll überlegt werden, welche Aufgaben die Kreisbehörde womöglich an Dienstleister auslagern kann. "Das wird besser und schneller, aber nicht günstiger", avisierte Niedermaier.

Als Gründungsmitglied im Innovationsring des Bayerischen Landkreistags hatte sich Bad Tölz-Wolfratshausen mit den Landkreisen Ebersberg, Mühldorf am Inn, Regensburg, Fürth und Aschaffenburg zusammengeschlossen, um eine gemeinsame Digitalisierungsstrategie zu entwickeln. Dazu wurde die Fachfirma Habbel GmbH aus Berlin beauftragt. Die Digitalisierung sei "eine Zeitenwende für die Kommunen", sagte Geschäftsführer Benedikt Habbel, der per Videoschalte an der Sitzung des Kreisausschusses teilnahm.

Eine Top-Ten-Liste mit Maßnahmen für die Kreisverwaltung

Im Landratsamt hatte die Habbel GmbH eine Menge Interviews geführt, vom Landrat bis hinab zur jüngsten Mitarbeiterin in der Kfz-Zulassungsstelle. Hinzu kamen eine Statusabfrage und eine Dokumentenanalyse. Die nächsten Schritte bestanden aus Workshops, um Handlungsfelder abzustecken, fünf Bewertungskriterien (Außenwirkung, Innenwirkung, Fallzahlen, Aufwand, Umsetzungsdauer) festzulegen, Maßnahmen zu identifizieren und zu priorisieren. Unterm Strich gibt es nun ein 46 Seiten starkes Strategiebuch, als Quintessenz eine Top-Ten-Liste für die Kreisverwaltung.

Zu den Top Ten gehört der Ausbau relevanter Online-Angebote für die Bürgerinnen und Bürger. Eine Aufgabe, die als zentrale Botschaft auch im Bayerischen Digitalgesetz formuliert ist. Mehr als 80 Verfahren könne man im Tölzer Landratsamt schon online beantragen, sagte Wolfgang Krause, Geschäftsleiter der Kreisbehörde. "Ziel ist es, die Verfahren zu beschleunigen, Ziel ist es auch, dass das Ganze auch möglichst ohne Vorsprechen im Amt erledigt werden kann."

Eine gewichtige Maßnahme ist außerdem die IT-Sicherheit. Gegen die Gefahr von Hacker-Angriffen müsse man sich wappnen und auch die Mitarbeitenden sensibilisieren, etwa durch Schulungen, so Krause. Ebenfalls auf der Liste steht das mobile Arbeiten. In der Corona-Zeit sei Home-Office auch im Landratsamt intensiv genutzt worden, diese Möglichkeit solle es weiterhin geben, sagte der Geschäftsleiter. Allerdings sei hier eine Abwägung nötig. Denn: "Die Verwaltung hat für die Bürger da zu sein, auch vor Ort da zu sein." Andere Punkte unter den Top Ten sind etwa Kommunikationssicherheit, Ausstattung, Homepage-Updates und Rechnungsworkflow. Die Liste ist nicht in Stein gemeißelt. "Es ist nicht so, wenn die zehnte Maßnahme umgesetzt ist, dann machen wir den Deckel drauf", sagte Krause. Die Strategie sei vielmehr "über die nächsten Jahre hinweg fortzuschreiben".

"Ich sehe ein Problem bei der Personalgewinnung."

An der Digitalisierung führt kein Weg vorbei - darin waren sich die Kreisräte im Ausschuss einig. Die Frage sei jedoch, ob dies mit dem vorhandenen Personal im Landratsamt machbar und mit welchen Kosten zu rechnen sei, meinte Martin Bachhuber (CSU). Die zehn Maßnahmen seien nicht mit einer Ausweitung des Budgets verbunden, erwiderte Krause. Was die Rekrutierung der nötigen Fachkräfte für den IT-Bereich angeht, sei die Sache schwierig. "Ich sehe ein Problem bei der Personalgewinnung."

Gerade in der IT hat das Tölzer Landratsamt laut Krause "eine ganze Reihe von Stellen, die wir nicht besetzen können. Schlichtweg deshalb, weil die Bezahlung und das Arbeitsumfeld in der freien Wirtschaft für Fachkräfte attraktiver sind. Für Klaus Koch (Grüne) gehört deshalb "ganz klar geprüft", ob man nicht "das eine oder andere auslagern" könne. Auch die Schulen, die von 2025 eine Systemadministrator benötigen, würden sich da aufstellen müssen, so Koch. Die Technik sei jedoch nur ein kleiner Teil des Problems, erwiderte Landrat Niedermaier. Es gelte, den gesamten Prozess zu betrachten. Ein "zentrales System" sei nötig, ein Landratsamt könne dies mit seinem Personal und seinen Finanzen nicht leisten. Michael Müller (CSU) warnte allerdings davor, sich dabei in technische Abhängigkeit von Fachfirmen zu begeben. Die kommunale Selbstverwaltung sei ein hohes Gut, sagte Müller. "Die digitale Souveränität gehört dazu."

Klaus Barthel (SPD) brachte das Konnexitätsprinzip ins Spiel. Bund und Freistaat, die entsprechende Gesetze vorgeben, müssten da finanziell etwas drauflegen, meinte er. Und das Landratsamt müsse schauen, welches Personal für den IT-Bereich zur Verfügung stehe, wie man es selbst qualifizieren könne. Was zentrale Services angehe, riet Benedikt Habbel nach dem Motto "Einer für alle" zur Zusammenarbeit mit anderen Landkreisen: "Bleiben Sie offen und mutig für Kooperationen."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5876531
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.