Süddeutsche Zeitung

Bootsverordnung:Bald könnte Schluss sein mit der Party auf der Isar

Lesezeit: 4 min

Von David Costanzo, Bad Tölz-Wolfratshausen

Die junge Familie mit dem Grundschulkind hat es eilig. Schlauchboot vom Discounter unterm Arm, originalverpackt, wer weiß, ob sie schon jemals auf dem Wasser waren und wie gut das Kind schwimmen kann. Sie zerreißen den Karton, pumpen das Gummigefährt auf, Mama, Papa, Kind an Deck und ab auf die Isar. Die Verpackung lassen sie am Ufer liegen.

Szenen wie diese hat Fabian Unger im vorigen Jahr zur Genüge betrachtet. An 20 Tagen hatte der Fluss-Betreuer vom Landesbund für Vogelschutz einen Infostand an der Marienbrücke in Wolfratshausen aufgebaut, eine der beliebtesten Einstiegsstellen für die Freizeitkapitäne.

Hier lassen sie ihre Schlauchboote zu Wasser und sich die vier, fünf Stunden Richtung München treiben, meist ohne Rettungsweste und ohne einen Schimmer von Huchen oder Flussuferläufer - dafür mit ordentlich Bier im Beiboot. Der Höhepunkt war eine Partygesellschaft in einer schwimmenden Badeinsel mit aufblasbarem Einhorn im Schlepptau. Von Mai an heißt es wieder: Leinen los.

Die Behörden wollen dem wilden Treiben auf der Isar nicht länger tatenlos zusehen. Das Landratsamt arbeitet derzeit an einer Bootsverordnung - Verbote sind nicht ausgeschlossen. "Wir werden um Einschränkungen nicht herumkommen", sagt Landrat Josef Niedermaier (Freie Wähler). Derzeit sammelt die Behörde Informationen über die Isarschifffahrt, dann werden Verbände und Anbieter gehört - ein Entwurf soll breit diskutiert werden.

Niedermaier weiß, dass er damit nicht nur den Applaus der Naturschützer bekommen wird, sondern auch den Unmut der Skipper. "Wir müssen uns wegen unserer Landschaft dieser Diskussion stellen", sagt er. "An den Wochenenden sind einfach zu viele Menschen unterwegs."

Der Isartalverein hat an einem Julitag im vorigen Jahr am Kloster Schäftlarn innerhalb von nur zwei Stunden 130 schwimmende Gerätschaften gezählt - vom Faltboot bis zur Luftmatratze sei alles vertreten gewesen. Kinder seien mit und ohne Schwimmweste unterwegs gewesen. Im August musste der Fluss mehrfach für Boote gesperrt werden, nachdem Feuerwehr und Wasserwacht einige Menschen aus dem lebensgefährlichen Hochwasser retten mussten. Spätestens seither war man sich mit dem Verein "Rettet die Isar" und Naturschützern einig: So kann es nicht weitergehen.

Karl Probst sieht sich nicht nur bestätigt. Dass die Politik so schnell reagiert, damit hat der Vorsitzende des Lenggrieser Vereins "Rettet die Isar" nicht gerechnet. Das sei mutig, zeige aber auch die Notwendigkeit so einer Verordnung, wie es sie schon lange etwa an der Ammer gibt. "Niemand soll vom Fluss ausgesperrt werden", sagt Probst. "Aber bei dieser Masse bedarf es gewisser Regularien."

Seiner Ansicht nach sollte Bootfahren auch für Privatleute generell nur zwischen Mai und September zulässig sein, um die Fische in der Laichzeit und die Vögel während der Brut zu schonen. An der Oberen Isar zwischen Wallgau und Sylvensteinspeicher sollte es ein komplettes Verbot geben. Das Landratsamt solle prüfen, ob es auf dem Rest des Flusses eine Obergrenze für Boote setzen kann. Der Isartalverein fordert zudem eine Schwimmwesten-Pflicht für Kinder und - da ein Alkoholverbot am Fluss wohl nicht zulässig sei - zumindest ein Verbot von Glasflaschen.

Landrat Niedermaier legt sich noch nicht fest und überlässt die Details seinen Juristen. Auf die kommt viel Arbeit zu, denn am Fluss tummeln sich ja nicht nur halsbrecherische Wildwasserabenteurer, sondern in der Mehrzahl völlig vernünftige Bootfahrer, Badegäste, Griller, Mountainbiker und Wanderer. Der Kreis will nicht die Falschen treffen. "Einschränkungen beeinträchtigen natürlich auch diejenigen, die es vernünftig machen", sagt Niedermaier.

Die Kanuten zum Beispiel sind bereits alarmiert. "Es kann nicht sein, dass Massen privater Schlauchboote die Isar nutzen und wir leiden darunter", sagt Rolf Renner vom Kanuverband. Die Sportler stellen die kleinste und in ihren Augen unschädlichste Gruppe auf dem Fluss. Schon vor 20 Jahren hat der Verband dazu eine Studie vorgelegt, nun fordert er eine detaillierte Zählung aller Nutzer. Das Landratsamt solle die kommerziellen Anbieter regulieren, etwa durch eine Lizenzierung, auch wenn die Rafting-Unternehmen nicht das größte Problem darstellten.

Das sieht auch der Landrat so. Niedermaier ist einmal inkognito bei einer Tour mit einem Münchner Anbieter mitgefahren. Da habe alles gestimmt: Die Gäste mussten Neopren-Anzug, Schwimmweste und Helm tragen. Die Guides hätten genaue Verhaltensregeln vorgegeben und Flora und Fauna erklärt.

Die Sport-Piraten sind so ein Münchner Anbieter. Rund 5000 Kunden haben sie im vergangenen Jahr die Isar zwischen Lenggries und München hinuntergefahren. Für den 1. Mai liegt schon die erste Buchung fürs Tubing vor - da geht es mit Schlauchreifen und Paddel aufs Wasser.

Der Rest der Saison sei schon "sehr gut gebucht", sagt Geschäftsführer David Burger. Das Unternehmen sperrt sich nicht gegen eine Verordnung, es hält sich bereits an eine freiwillige Selbstverpflichtung und hatte erst am vorigen Wochenende zwölf Guides bei der Schulung in der Jugendsiedlung Hochland, die erstmals einen Öko-Abschnitt umfasst.

"Wenn es die Sicherheit erhöht und den Naturschutz wahrt, ist eine Verordnung sinnvoll", sagt Burger. Der 39-Jährige hofft auch, eine Regelung könne den Markt regulieren. "Bislang kann sich jeder Hinz und Kunz zwei Boote kaufen und sich Rafting-Unternehmen nennen." Es geht auch um Geld, das die Firmen in den Kreis bringen.

Die Sport-Piraten arbeiten etwa mit hiesigen Busunternehmen, Hotels und Gastronomiebetrieben zusammen. Und wenn sie im Juni wie geplant in Lenggries eine Niederlassung eröffnen, zahlen sie dort auch Gewerbesteuer, kündigt Burger an. Allerdings hatte der Gemeinderat die Genehmigung für den Umbau in der Isarstraße mehrfach abgelehnt, um ein grundsätzliches Zeichen gegen den "Wahnsinn" auf der Isar zu setzen, wie es in einer Sitzung hieß.

Verloren ist der Fluss noch lange nicht. Das hört man bei Vogelschützer Fabian Unger heraus. Rund 900 Bootfahrer hat er 2016 an der Marienbrücke gesprochen. Mit einem Trick hat er die Spaßvögel geködert: Er hat ihnen am Infostand eine Luftpumpe fürs Schlauchboot gestellt und sie währenddessen mit Broschüren und Informationen über bedrohte Tierarten gefüttert. Sein Fazit: Die Menschen wollen die Natur nicht stören, vielen fehlt aber einfach das nötige Wissen. Seinen Infostand will er in diesem Jahr wieder aufbauen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3483924
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 29.04.2017
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.