Süddeutsche Zeitung

Großer Wagenumzug:"Fasching ist Bichl"

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Nach zwei Jahren Corona-Pause treiben es die Narren in Bichl wieder bunt. Höhepunkt ist wie immer der Wagenumzug am Faschingssonntag.

Von Veronika Ellecosta, Bichl

Ganz plötzlich füllt sich der Ballsaal im Bayerischen Löwen in Bichl. Junge Frauen im Tutu strömen durch den Seiteneingang auf die Bühne, üben den Cancan, werfen lachend die Beine hoch. In der Luft hängt der Geruch von Wodka Bull. Die Gardemädchen sind geübt. Der ein oder andere Faschingsball fand hier schon statt, an diesem Donnerstagabend pausiert der Maschkeraverein Bichl. Sebastian Bauer, 22, tritt durch den Seiteneingang. Er ist als Meister Eder verkleidet, mit Schiebermütze, Schurz und hochgekrempelten Hemdsärmeln. Bevor hier am Sonntag der Wagenumzug enden und nochmal ordentlich auf den Putz gehauen wird, müssen die Wagen fertig und TÜV-geprüft sein. Aber heute ruhen Hämmer und Pinsel. "Wir kommen grad vom Weiberfasching vom Bräustüberl Tegernsee zurück", sagt Sebastian Bauer mit Blick auf die übermütige Garde.

Zweimal in Folge fiel der Fasching in Bichl coronabedingt aus, nun ist es soweit: Unter dem Motto "Wilder Westen" veranstalten die Bichler fünf Bälle. Als Höhepunkt ziehen am Sonntag die Umzugswagen durchs Dorf und nehmen Lokales und Aktuelles auf die Schippe. Los geht's um 13.33 Uhr. 15 Wagen werden es heuer sein, dazu fünf Fußgruppen und drei Gardewagen. So viele teilnehmende Gruppen gab es noch nie.

Sebastian Bauers Gruppe, auch "Haufen" genannt, sind die "Huadara", erzählt er, während er in den Kleinbus klettert. Er fährt zum Weiler Rain, wo Bauers Haufen den halb fertigen Umzugswagen geparkt hat. Seit 1978 gibt es die Gruppe. Wer ein Huadara ist, muss während der Woche nach 18 Uhr in der Faschingszeit einen schwarzen Hut tragen. Außer bei Faschingsbällen, lenkt er ein. Sebastian Bauers Schiebermütze ist nämlich blau.

Punks auf Sylt

Mit Schwung zieht Bauer die Handbremse an. Da steht er also, der einsame Wagen der Huaderer, am Ende von Rain. Bretter stapeln sich, ein halbes Holzhaus und ein Strandkorb stehen schon, immerhin. Zwei Samstage lang bauen die Huaderer am Wagen, seit Januar laufen die Planungen. Fertig ist bisher nur die Tafel, die einiges vorwegnimm. Auf ihrem Wagen spielen die Burschen und Mädels heuer die Ankunft der Punks auf Sylt mit dem Neun-Euro-Ticket nach, erzählt Bauer. Die Holzhütte wird zum Edeka, wo die Punks ihr Bier kaufen, im oberen Stock soll ein Opa schimpfen. Und Sebastian Bauer? "Ich bin die Brunnenfigur dicke Wilhelmine, ich muss nur sitzen", sagt er lachend.

Bauer sitzt im Vorstand der Bichler Maschkera. Das sei viel Arbeit. Im August beginnt die Organisation, nach dem Fasching muss er sich um die Bands fürs kommende Jahr kümmern. Trotzdem freut er sich, dass nach der zweijährigen Pause endlich wieder gefeiert wird. "Alle sind auf der Straße, Jung und Alt kommen zusammen. Wir kriegen das von klein auf mit", sagt er. "Fasching ist Bichl."

Dann startet er den Kleinbus wieder und steuert das Auto über die dunkle Landstraße nach Bichl zurück. Am Hintereingang des "Bayerischen Löwen" tragen junge Männer Wein- und Bierkisten in den Saal. Bauer telefoniert noch kurz, dann packt er mit an. Für die kommende Woche hat er Urlaub. "Da werd ich erstmal wellnessen", sagt er und lacht.

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