Süddeutsche Zeitung

Theater Viel Lärm um Nichts:Heldendämmerung auf Montsalvat

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Auf der Bühne und im Film: Regisseur Arno Friedrich interpretiert Wolfram von Eschenbachs "Parzival" neu.

Von Jutta Czeguhn, München

Mutterliebe, und wohin die führt. Herzeloyde hat genug von all dem Ritterschmarrn, Parzivals Vater Gahmuret war einer dieser turniergeilen Draufgänger, die sich ständig kloppen müssen, untreu war er obendrein - nun ist er mausetot. Ihren Sohn will sie vor solch zweifelhafter Karriere bewahren, weshalb sie ihn in einer Art Solo-Waldorfschule von der Welt fernhält. Als "Schnucki", wie sie ihn nennt, trotzdem vom Rittervirus gepackt wird und in Richtung Tafelrunde losstürmt, stattet ihn Herzeloyde mit allerhand lächerlichen Ratschlägen und einer Hundehalskrause aus, damit er nur ja scheitert und baldigst zurückkehren möge. Daraus wird bekanntlich nichts, nachzulesen in den 25 000 Versen von Wolfram von Eschenbachs Coming-of-Age-Bestseller aus dem Hochmittelalter - oder ganz aktuell zu erleben in Arno Friedrichs Version des höfischen Großepos' im "Theater Viel Lärm um Nichts". Eine ziemlich originelle und poetische Heldendämmerung in 120 Minuten und Mini-Personalaufwand.

Grandios spielt Pia Kolb den anfangs tumben Tor mit der Hyperaktivitätsstörung, der Empathie erst langsam lernen muss. Wini Gropper und Sarah Schuchardt arbeiten sich im fliegenden Rollenwechsel, singend, tanzend, musizierend, durch Eschenbachs riesiges Figurenkarusell. Und ein pinker, ausgeschlachteter VW-Käfer auf Rollen kann als Requist einfach alles sein, Artus' Tafelrunde, Amfortas' Montsalvat, ja selbst der Gral. Live dazu schaffen Aaron Leutz aka Goldkalb am Modular Synthesizer und Sascha Lüer (Trompete) grandiose Klangwelten zwischen Wagners Parsifal-Vorspiel und Puhdys-Hit. Am Ende fällt dann auch der Name Lohengrin, denn die Saga wird ja fortgesponnen mit dem Schwanenträger und Fragenverbieter.

Mehr als ein Beiwagerl zum Theaterstück ist Arno Friedrichs Film-Collage "Die Entfiederung des Schwans", mit der er noch einmal tiefer eintaucht in den postheroischen Parzival-Kosmos. Gedreht mit 18 Schauspielern und Schauspielerinnen in Pasing und Obermenzing, wird der Mythos humorig zerrupft, und die ehemals stolzen Brustpanzer der Ritter werden schließlich im Altmetallcontainer entsorgt.

"Parzival", Theater viel Lärm um Nichts, Regie: Arno Friedrich, Pasinger Fabrik, August-Exter-Str. 1, bis 28. Mai immer Donnerstag, Freitag und Samstag, 20 Uhr (außer 5., 6., 7. Mai); Film "Entfiederung des Schwans", immer samstags am Double-Feature, 19 Uhr, im Anschluss um 20 Uhr Theatervorstellung "Parzival", immer mittwochs Kinoabend, 20 Uhr, Film-Karten: www.theaterviellaermumnichts.de , Theater-Karten: München Ticket, Video on Demand auf www.theaterviellaermumnichts.de

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