Süddeutsche Zeitung

Wohnstift Augustinum:"Bei uns werden die Bewohner in der Regel steinalt"

Lesezeit: 3 min

Wie es die Augustinum-Stiftung schafft, ihr Stammhaus in München-Neufriedenheim zu erweitern, ohne den Nimbus der gediegenen Versorgung zu gefährden.

Von Jürgen Wolfram

Wenn man schon älter und älter werden muss, dann bitte auf Vier-Sterne-Niveau. Am besten in eigenen vier Wänden, aber mit der Sicherheit, kulturell, kulinarisch und im Bedarfsfall medizinisch umsorgt zu sein. Vielleicht sogar mit der Aussicht auf späte Freund- und Bekanntschaften, auf eine nochmalige Verwurzelung in einem gediegenen Ambiente. Solchen Träumen vieler Menschen über 60 versuchen die Seniorenresidenzen der Augustinum-Stiftung gerecht zu werden.

Offenbar mit Erfolg, die Nachfrage nach den Apartments in diesen Wohnanlagen ist groß. Das 1962 gegründete Stammhaus München-Neufriedenheim im Stadtteil Hadern hat deshalb zwei weitere Gebäude hochgezogen, Haus 6 und 7. An diesem Mittwoch stand deren Eröffnung an. Mit viel Musik, Hausführungen und einer Ansprache von Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD).

In einigen der 92 neuen Apartments mit Größen zwischen 50 und 80 Quadratmetern muss noch ein Schwung Leitungen unter Putz verschwinden, dann aber sind der 13-stöckigige Wohnturm und ein damit architektonisch elegant verbundener, dreigeschossiger Flachbau endgültig bezugsfertig. Entworfen haben die neuen Komponenten der Augustinum-Seniorenresidenz am Stiftsbogen Robert Meyer und Tobias Karlhuber Architekten, die in München ihre Handschrift schon beim Stadtquartier Baumkirchen-Mitte hinterließen.

Auf dem Augustinum-Areal in Hadern waren sie gefordert, die bauliche Verdichtung so zu gestalten, dass Verschattungen vermieden wurden und die Blickfreiheit ins Grüne für die Bewohner benachbarter Gebäude erhalten blieb. Überdies galt es, dem Schall der nahen Autobahn auszuweichen. "Möglich gemacht haben wir das durch eine leicht dreieckige Keilform des Wohnturms und spezielle Fenster", erläutert Tobias Karlhuber bei einer Besichtigung. Mit dieser Variante hatten er und Robert Meyer sich bei einem Wettbewerb durchgesetzt.

Das Augustinum investiert in sein neues Projekt 39 Millionen Euro. Die barrierefreien Apartments, die in dreijähriger Bauzeit entstanden sind, weisen unterschiedliche Größen auf und sind sowohl für Paare als auch für Einzelpersonen konzipiert. Zu einem Preis ab 4700 Euro kann man etwa eine 77-Quadratmeter-Wohnung mieten, in den oberen Etagen mit prächtigem Blick auf die Stadt. Kleinere kosten ab 3700 Euro. Durchgängig eingebaut ist ein Musterbadezimmer, das groß genug ist, um mit dem Rollator zu manövrieren. Ebenso obligatorisch: ein Notrufapparat neben der Toilette. Der ambulante Pflegedienst befindet sich in Reichweite. Einen Pflegegrad sollte man beim Einzug allerdings noch nicht mitbringen. Da wäre ein Pflegeheim womöglich die bessere Lösung.

Die Direktorin der Einrichtung, Christiane-Maria Rapp, geht davon aus, dass bis Jahresende alle Apartments belegt sein werden. Das heißt: 130 neue Bewohner. Danach müssen Interessenten wieder ein bis zwei Jahre warten, ehe etwas frei wird - ein Erfahrungs-, kein Garantiewert. "Bei uns werden die Bewohner in der Regel steinalt", sagt Rapp zur Begründung. Tatsächlich ist die älteste Bewohnerin 108. Die Direktorin, eine resolute Schwäbin, führt die rege Nachfrage vor allem auf den "Trumpf der umfassenden Sicherheit" zurück, den die künftig insgesamt 600 Bewohner zu schätzen wüssten. Diese hielten dem Augustinum im Herbst ihres Lebens erfahrungsgemäß zehn bis 30 Jahre die Treue, "sie schlagen bei uns regelrecht Wurzeln".

Das könnte mit den zahlreichen Annehmlichkeiten zu tun haben, die das Haus in München-Neufriedenheim zu bieten hat. Ein gesundheitsbetontes Gastronomiekonzept der "gehobenen Esskultur" zählt ebenso dazu wie ein kulturelles Angebot mit Konzerten und Vorträgen, eine eigene Kirche, parkähnliche Außenanlagen, Läden oder auch eine vergleichsweise großzügige Personalausstattung. 240 Leute, "die zum Konzept passen", arbeiten in der Einrichtung am Stiftsbogen. Personalnöten begegnet man mit dem Programm "Mitarbeiter werben Mitarbeiter".

Stolz sind Architekt und Augustinum-Chefs nicht zuletzt auf die ökologischen Akzente, die mit den Neubauten gesetzt wurden, teils auf Anregung der Bewohner. Ladesäulen für Elektroautos in der Tiefgarage, ausgeklügelte Energieverbrauchssteuerung in den Ge- bäuden, eine Bienenwiese auf dem Dach von Haus 6, Nistkästen für Fledermäuse an der Fassade - da habe man sich einiges einfallen lassen, betont Joachim Gengenbach, Vorsitzender der Augustinum-Geschäftsführung.

Der Mann steht an der Spitze eines Sozialimperiums: Als diakonischer freier Träger von 23 Wohnstiften (das größte steht in Stuttgart) mit 7400 Bewohnern, einer Klinik, Schulen, Kitas, Behinderteneinrichtungen und zwei behütenden Häusern für altersdemente Menschen ist die 1954 gegründete Augustinum-Stiftung einer der größeren Player im sozialen Gefüge der Republik. Beim Gang über die sommerwiesengrünen Bodenbeläge der nagelneuen Bauten ordnet Gegenbach die gewachsene Bedeutung des Standorts ein: "Das Ensemble München-Friedenheim hat durch die Erweiterung stark gewonnen. Ein echtes Flaggschiff."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.6244863
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.