Süddeutsche Zeitung

Windkraft:Es dreht sich was

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Bei den meisten großen Windradplänen in der Region ist längst die Luft raus. Mit wenigen Ausnahmen

Von Günther Knoll

An der Nürnberger Autobahn, der nördlichen Einfallstraße in die Stadt, direkt gegenüber der Fröttmaninger Arena steht ein Windrad. So weithin sichtbar es ist, einen bedeutenden Beitrag zur Energiewende liefert es nicht. Und dennoch ist es ein Zeichen, nicht nur dafür, dass der Betreiber, die Stadtwerke München (SWM), auf Windkraft setzen, sondern in seiner Einsamkeit auch dafür, dass diese Form von Energiegewinnung in Bayern nicht sonderlich beliebt ist. Die Befürworter der Windkraft in der Region München müssen sich fast so allein gelassen vorkommen wie der Rotor auf dem Schuttberg. Der Bayerische Landtag hat mit seinem Abstandsflächengesetz das Aufstellen von Windkraftanlagen in einer so dicht besiedelten Landschaft nicht gerade erleichtert, und das Erneuerbare-Energien-Gesetz hat mit den Vorgaben zur Einspeisevergütung den Betrieb nicht lukrativer gemacht. Dazu kommt, dass viele befürchten, Windräder könnten die schöne oberbayerische Landschaft verschandeln und als Nachbarn den Wert der eigenen Grundstücke schmälern.

Und doch ist die Luft nicht ganz raus aus der Windenergie rund um die Landeshauptstadt, auch wenn die Euphorie verflogen ist: Einige Rotoren laufen bereits, nicht nur um ökologisch ein Zeichen zu setzen, sondern auch, weil manche Betreiber von ihrer ökonomischen Leistung überzeugt sind. In Johanneck bei Paunzhausen im Landkreis Freising hat sich ein privater Investor durchgesetzt. Seit November 2013 wird dort Strom aus Wind erzeugt, allen Demonstrationen, Unterschriftensammlungen und gerichtlichen Klagen zum Trotz. Der Betreiber hatte den Turm sogar errichten lassen, obwohl noch eine gerichtliche Entscheidung über einen Baustopp anstand. Inzwischen, so sagt er, würde aber selbst mancher Kritiker anerkennen, dass die Auswirkungen weit geringer seien als befürchtet.

In der Gemeinde Berg im Landkreis Starnberg sind gerade die ersten Rotoren des Windparks in den Wadlhauser Gräben, einem Waldstück nordöstlich der Gemeinde, montiert worden. Betreiber ist die Bürgerwind Berg GmbH & Co. KG. Der Park besteht aus vier Windenergieanlagen mit einer Nabenhöhe von 149 Metern, einem Rotordurchmesser von 115,71 Metern und einer Nennleistung von je drei Megawatt. 210 Meter ragen die Windräder damit an der Rotorenspitze in die Höhe, nach Meinung der Gegner sind sie "Monumente der Rücksichtslosigkeit". Ob "Gegenwind Starnberg" ob "Verein zum Schutz der Wadlhauser Gräben", das Bayerische Verwaltungsgericht hat im Juli die Klagen gegen das Projekt abgewiesen. Dass der Abstand, der nach dem neuen Gesetz eigentlich das Zehnfache der Höhe der Anlage zur nächsten Wohnbebauung betragen muss, nicht eingehalten wird, sei in dem Fall nicht von Belang, weil das Landratsamt Starnberg das Projekt noch vor Inkrafttreten des Gesetzes genehmigt habe.

Die Gegner hatten mit der Optik argumentiert, die eine Verschandelung der Landschaft am Starnberger See bedeute, und auch mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen, hervorgerufen durch Infraschall und Lärm. Und plötzlich spielte auch ein Greifvogel eine Rolle, der geschützte Rotmilan, der möglicherweise im Gebiet der Wadlhauser Gräben nistet. Oder auch nicht, denn die Gutachten über das dortige Brutvogelvorkommen widersprechen sich. Sie waren ja auch von beiden Seiten in Auftrag gegeben worden.

Die Diskussion über die Windkraft ist in und um Berg - wie auch anderswo - längst zum Glaubenskrieg geworden. So verwehrte der Verein zum Schutz der Wadlhauser Gräben dem Berger Bürgermeister Rupert Monn und dem Geschäftsführer des Windparks, Robert Sing, den Beitritt, mit der Begründung, deren Handeln stehe "im absoluten Gegensatz zur Satzung des Vereins". Monn machte sich seit je für die Windräder stark, sie seien für das Gelingen der Energiewende essenziell und leisteten für die Energieversorgung seiner Gemeinde einen Anteil von gut 80 Prozent.

Es gab auch genügend Interessenten, die Anteile für die Bürgerwind Berg zeichneten - nicht nur aus ökologischer Überzeugung. Der ehemalige Kooperationspartner dagegen, die Münchner Stadtwerke, stieg aus dem Projekt aus. Stattdessen beteiligen sich die SWM mit großen Summen an Windparks im Norden. Dabei hatten sie früher fleißig die Werbetrommel gerührt für die Windenergienutzung in der Region München, hatten Gemeinden und Landkreise beraten und hatten, quasi als Symbol ihrer hehren Absichten, selbst ein zweites Windrad im Münchner Norden geplant. Nicht einmal das steht bisher, auch weil die Stadtgestaltungskommission sich dagegen aussprach. Sie fürchtet unter anderem um das Erscheinungsbild der benachbarten Fußball-Arena.

Und so sind viele hochtrabende Pläne für Windräder im Münchner Umland wieder fallen gelassen worden. Rund um den Flughafen München bilden schon die Funkfeuer und Radaranlagen ein Hindernis, im Umkreis von 15 Kilometern sollen dort nämlich möglichst gar keine Windkraftanlagen aufgestellt werden. Im Landkreis Fürstenfeldbruck laufen ganze zwei Rotoren, dabei war sogar einmal nach der Prüfung potenzieller Standorte euphorisch Platz für hundert ausgerufen worden. Ein drittes Windrad durften die Stadtwerke Fürstenfeldbruck nicht aufbauen, weil der Bayerische Verwaltungsgerichtshof den Klägern recht gab und die Blickachse zum Kirchturm von Sankt Sebastian in Puch beeinträchtigt sah. In der Region dürfen halt neben Kirchtürmen und Maibäumen höchstens noch Baukräne in den Himmel ragen.

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Quelle:
SZ vom 13.10.2015
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