Süddeutsche Zeitung

Wiesn-Bilanz:"Am Ende der Wiesn ist nicht alles Bier verkauft"

Lesezeit: 2 min

Von Dominik Hutter und Franz Kotteder

Wie viel Bier wird auf der Wiesn getrunken? 6,5 Millionen Mass, vermeldete die Stadt am letzten Wiesn-Sonntag 2014. An diesem Dienstag, im Wirtschaftsausschuss des Stadtrats, war diese Zahl plötzlich auf 7,68 Millionen angewachsen. Fast 1,2 Millionen Mass mehr auf dem Oktoberfest 2014 - ohne dass in der Zwischenzeit auch nur ein einziges Bierzelt seine Tore geöffnet hatte. Will da etwa jemand vertuschen, welch exzessive Sauforgie alljährlich zu Füßen der Bavaria aufgeführt wird? Unter Regie des Münchner Rathauses, das ja der offizielle Veranstalter der bierseligen Sause ist.

Im Wirtschaftsausschuss des Stadtrats herrschte am Dienstag Heiterkeit angesichts solcher Verdächtigungen, die in Münchner Medien zu lesen waren. Oberbürgermeister Dieter Reiter zeigte sich regelrecht betroffen, dass ihm ein derlei ungeschicktes Vorgehen zugetraut wird: Erst falsche Zahlen veröffentlichen - um sich dann ein halbes Jahr später selbst zu entlarven. Denn die 7,68 Millionen stammen aus der offiziellen Wiesn-Bilanz des Wirtschaftsreferats, die erst jetzt auf der Tagesordnung des Stadtrats stand.

"Vorläufiger Schlussbericht" steht auf dem Papier

Tatsächlich hat die Differenz sehr viel mit dem Bedürfnis der Medien zu tun, pünktlich zum Abschluss des Oktoberfests eine Bilanz veröffentlichen zu können. Die entsprechende Pressekonferenz findet am Vormittag des letzten Wiesn-Sonntags statt - während in den Zelten noch gezecht und in den Achterbahnen geschrien wird. "Vorläufiger Schlussbericht" steht daher über dem Bilanzpapier - im Text wird das allerdings nicht näher erläutert. "Für die Schlussbilanz werden die Zahlen vom Stand Samstagfrüh abgefragt", berichtet Toni Roiderer, der Sprecher der Wiesn-Wirte. "Die sind naturgemäß noch ungenau, weil die Wochenenden besonders umsatzstark sind."

Obendrein sei die Erfassung der ausgeschenkten Liter Bier keineswegs in allen Zelten auf der Wiesn computergesteuert zu jedem Zeitpunkt auf den Milliliter genau ablesbar. Man verwende für die Meldung an die Stadt die Summe der täglichen Abrechnungen, und die lägen eben nur bis einschließlich Freitag vor. Wer eine genaue Bilanz zum Wiesnabschluss wolle, der dürfe nicht schon am Samstagmorgen nachfragen, sondern erst am Dienstag oder Mittwoch nach dem Oktoberfest, betonte Roiderer: "Vorher wissen wir auch gar nicht, was an Rückbier angefallen ist - also an Bier, das wir nicht mehr verkauft haben." Es sei nämlich keineswegs so, dass am Ende der Wiesn alles Bier verkauft sei. "Es kommt immer vor, dass man 1000 Hektoliter auf Vorrat bestellt hat und 200 Hektoliter übrig bleiben, das ist ganz normal." Ein Skandal sei das alles nicht, so Roiderer, allenfalls "eine aufgeblasene Geschichte. Die Statistik wird halt zu früh abgefragt. Das Finanzamt bekommt nach der Wiesn jedenfalls die exakten Zahlen, das ist doch das Wichtigste, oder?"

Ungenauigkeit gilt nur fürs Bier

Auch Wiesn-Stadtrat Helmut Schmid (SPD) hatte im Wirtschaftsausschuss kein Problem, die Differenz zu erklären: In der vorläufigen Bilanz fehlten die erfahrungsgemäß rund 600 000 Besucher des letzten Wiesn-Samstags sowie die 400 000 des letzten Sonntags. Da könnten schon einmal gut eine Million Mass zusammenkommen. Wobei die Ungenauigkeit offenbar nur fürs Bier gilt: Die geschätzte Zahl der Besucher (6,3 Millionen) ist in beiden Bilanzen gleich, und auch die Anzahl der verspeisten Ochsen und Kälber wurde in dem nun für den Stadtrat erstellten Papier nicht nach oben korrigiert.

OB Reiter sieht zwei Möglichkeiten, um künftigen Vertuschungsvorwürfen zu entgehen. Entweder erfrage man die Biermenge erst Sonntagfrüh, was allerdings weiterhin eine gewisse Ungenauigkeit beinhalte. Oder aber die Stadt präsentiere am letzten Wiesn-Sonntag gar keine Zahlen mehr. Dann müsste die Öffentlichkeit eben warten, bis eine belastbare Statistik vorliegt.

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Quelle:
SZ vom 18.03.2015
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