Süddeutsche Zeitung

Schauplatz der Geschichte:Geplünderte Geschäfte in München

Von Jakob Wetzel

Es seien einfach zu viele gewesen, erklärte die 42. US-Infanterie-Division später: zu viele Zivilisten, die in München die Warenlager plünderten. Die Soldaten hätten beim besten Willen nichts tun können. Beim Blick auf dieses Foto klingt diese Aussage plausibel. Die ganze Wahrheit ist sie aber nicht. Der US-Offizier Ernst Langendorf etwa erinnerte sich später, er habe US-Militärpolizisten einmal darauf hingewiesen, dass eine Weinhandlung geplündert werde. Doch die hätten gelacht: Er solle den Menschen nach dem langen Krieg doch ihren Spaß gönnen. Und die Militärpolizisten hätten selber auch ein Fässchen Wein im Wagen gehabt.

Eigentum und Besitz galten Anfang Mai 1945 nicht viel. Die Plünderungen begannen schon während des Einmarsches der US-Soldaten. Während die einen zusahen, wie diese auf der Dachauer Straße in die Innenstadt fuhren, wüteten andere bereits in den Geschäften. Lebensmittelläden wurden ausgeräumt, Gaststätten, Hotels und sogar Schulen, aus denen die Menschen Tische und Stühle verschleppten. Aus den Parteigebäuden der Nazis am Königsplatz stahlen sie Geschirr und Spirituosen, aber auch Kunstwerke, die zuvor die Nazis geraubt hatten - viele von ihnen sind bis heute verschollen. Pfarrer klagten, die Menschen würden ihnen sogar den Messwein stehlen.

Für die Plünderer ging es nicht immer gut aus. Im Löwenbräukeller am Stiglmaierplatz etwa war das Gedränge am 3. Mai so groß, dass zwei Menschen totgetrampelt wurden. In einem anderen Bierkeller wurde zwei Tage später eine plündernde Frau mit einer Flasche erschlagen. Am 18. Mai reagierten die Besatzer: Die Militärregierung richtete spezielle Kommandos ein. Plünderern drohte sie mit drakonischen Strafen.

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SZ vom 02.05.2020
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