Süddeutsche Zeitung

Vogelplage:Tauben zu schlau für München

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Von Birgit Lotze, München

Das städtische Taubenhaus-Konzept scheint nicht aufzugehen: Die Stadt hatte sich verpflichtet, in jedem Jahr zwei neue Projekte zu verwirklichen. Damit sollen die Tauben durch eine Art "Betreutes Wohnen" konzentriert und die Zahl der gelegten Eier kontrolliert werden. 2014 wurde auch ein Taubenhaus auf dem Großmarktareal aufgestellt - das war's dann allerdings.

Der Ausbau des Dachstuhls der Heilig-Geist-Kirche am Viktualienmarkt scheiterte trotz der Bereitschaft, viel Geld auszugeben, an der Statik. Nun kündigte auch die Deutsche Bahn an, in keinem Bahnhof entlang der Stammstrecke Taubenhäuser zu bauen. Sie will sogar, dass das Versuchsobjekt auf dem Dach des Hauptbahnhofes wieder abgebaut wird.

Bis 2017 will die Stadt elf Taubenhäuser in der Innenstadt mithilfe des Tierschutzvereins oder einer anderen Tierschutzorganisation betreiben. So das Ziel. Tatsächlich gibt es bislang zwei - neben dem Großmarkt steht noch ein Schlag auf der Halle der Stadtreinigung an der Gmunder Straße. Für zwei weitere Taubenprojekte - auf dem Hauptbahnhof und dem Vorzeigeprojekt auf dem Karstadt-Dach an der Münchner Freiheit - hat die Stadt auch die laufende Finanzierung für die Einrichtung und Betreuung durch den Tierschutzverein übernommen.

Warum die Standortsuche so schwer ist

Diplom-Biologe Reinhard Boditsch vom Referat für Umwelt und Gesundheit (RGU) gibt zu, dass es derzeit keine konkreten Projekte gebe. Er ist dennoch zuversichtlich und in Haidhausen und am Arabellapark im Gespräch mit Interessenten. Und er verweist auf erfolgreiche private Initiativen. Davon gibt es bereits sieben: Taubenhäuser auf Arealen der Brauereien sind darunter, dann das Freimanner Fußballstadion, Banken und das Studentenwerk.

Auf die Rolle der Stadt angesprochen, gibt der Biologe zu, dass er sich das anfangs so schwierig nicht vorgestellt habe. Untersuchte Standorte scheiterten oft an hoher Verkehrsfrequenz, Tauben seien da empfindlich. Und dann seien viele Gebäude in München bis unters Dach ausgebaut, auch die städtischen. Allerdings gingen die vom Stadtrat bereitgestellten Mittel nicht verloren, wenn sie in einem Jahr nicht ausgeschöpft würden. Sie stünden bei der nächsten Einrichtung zur Verfügung. "Das Ziel, zwei Taubenhäuser pro Jahr zu errichten, wird sicherlich mal gut, mal weniger gut erreicht", heißt es im RGU.

Warum das Konzept Taubenhaus scheitert

15 000 Euro stehen dem Referat jährlich für den Bau der Taubenhäuser zur Verfügung. Außerdem gibt es noch einen Topf mit jeweils 3000 Euro für die Betreuung. Im Jahr 2015 könnten dafür 15 000 Euro ausgegeben werden - Geld, das also nicht ausgeschöpft wird. Außerdem sollte sich bald die Finanzierung des Taubenhauses auf dem Hauptbahnhof erübrigen. "Das ist ein Flop", sagt Bernd Honerkamp, Pressesprecher der Deutschen Bahn, "wir haben eher das Gefühl, die Tauben vermehren sich in dem Schlaraffenland, statt dass sie weniger werden."

Im Pasinger Bahnhof setzt die Bahn derzeit "mit gewissem Erfolg" auf Falkenschreie, vier verschiedene Raubvogel-Schreie würden in unterschiedlichen Abständen eingesetzt. Anfänglich habe das gut funktioniert, dann gar nicht mehr. Doch die Gewöhnung habe wieder nachgelassen. Derzeit, bei einem zweiten Anlauf, ließen sich die Tauben wieder erfolgreich vertreiben.

Taubenschützer wie Judith Brettmeister vom Münchner Tierschutzverein sind unzufrieden: "Wir kommen nicht weiter." München brauche viel mehr Taubenhäuser, auch noch ein weiteres am Hauptbahnhof. Derzeit mit der großen Baustelle sei allerdings die Lage aussichtslos für die Betreuerinnen. Überall öffneten sich schöne neue Nistmöglichkeiten für die Vögel, die zögen sich dorthin zurück - und nicht ins kontrollierte Haus. Und so hätten die Betreuerinnen keine Chance, die Taubenzahl durch den Austausch der Eier zu kontrollieren: "Da müssten unsere Damen ja Akrobatinnen sein."

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Quelle:
SZ vom 02.06.2015
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