Süddeutsche Zeitung

Prozess:"Es ist schockierend, mit welcher Brutalität Sie gegen zwei junge Frauen vorgegangen sind"

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Aus dem Gericht von Susi Wimmer, München

Wenn Kinder sich aus der Welt wegdenken wollen, dann schließen sie einfach die Augen. Emrah T. macht das genauso: Während Richter Michael Höhne verkündet, dass der 28-Jährige für 14 Jahre und sechs Monate unter anderem wegen versuchten Mordes und besonders schwerer Vergewaltigung in Haft geht, hält er die Lider konsequent geschlossen. Eineinhalb Stunden lang referiert die erste große Schwurgerichtskammer, wie Emrah T. eine Spaziergängerin in Rosenheim sowie eine Joggerin nahe der Emmeramsmühle brutal attackiert und vergewaltigt hat. Der Verurteilte bleibt reglos. So wie nahezu an allen elf Prozesstagen.

Es war eine aufsehenerregende Tat, die insbesondere Sportlerinnen in große Beunruhigung versetzte. In den Abendstunden des 18. Dezember 2016 war eine 45 Jahre alte Joggerin in der Nähe des Oberföhringer Stauwehres angegriffen und vergewaltigt worden. Der Rechtsmediziner, der die Frau untersuchte, machte die Polizei sofort auf einen Fall in Rosenheim aufmerksam: Auch dort war ein Jahr zuvor eine 29-jährige Frau am Inndamm ähnlich massiv attackiert und vergewaltigt worden.

Tatsächlich fanden sich identische DNA-Spuren des Täters an den Frauen. Im Zuge anderer Ermittlungen kam die Polizei schließlich auf Emrah T. Bei seiner Festnahme gab der sich noch gelassen und sagte, das Ganze sei wohl ein Scherz. Als seine Frau in den Medien von den Vergewaltigungen las, sagte sie: "Das ist T."

Die Täterschaft stehe für das Gericht "ohne jeden Zweifel fest", urteilte die Kammer am Ende. Sie bezeichnete die Beweislast als erdrückend und führte an, dass Emrah T. erst aufgrund der ausweglosen Situation am Ende des Prozesses über seinen Verteidiger ein Teilgeständnis abgegeben habe. Dies hätte den Opfern aber nicht die belastende Aussage vor Gericht erspart.

Emrah T. war im Oktober 2015 mit seiner Ehefrau und seinem damals zweijährigen, schwer kranken Sohn über Kiefersfelden in Deutschland eingereist. Der kurdischstämmige Türke gab sich und seine Familie als geflüchtete Syrer aus. Sie lebten mehrere Wochen in einer Rosenheimer Klinik, wo der Sohn operiert wurde. Die Ehefrau war schwanger. Emrah T. hielt am Abend des 26. November 2015 auf dem unbeleuchteten und nahezu menschenleeren Inndamm nach einem Opfer Ausschau. Das fand er in einer zierlichen, 29 Jahre alten Spaziergängerin. Er würgte und schlug sie, schleppte sie in ein Gebüsch und missbrauchte sie. "Sie litt unter Todesangst", so das Gericht. Die 29-Jährige befürchtete, erwürgt oder in den nahe gelegenen Inn geworfen zu werden. Die Tat hatte für die Frau "gravierende psychische Folgen".

Ende 2016, die Ehefrau von Emrah T. war erneut schwanger und die Familie in eine Flüchtlingsunterkunft in Berg am Laim umgezogen, lauerte er in Isarnähe dem nächsten Opfer auf. Am Abend des 18. Dezember drehte eine 45-jährige Sekretärin in Oberföhring ihre regelmäßige Joggingrunde. Die durchtrainierte Sportlerin lief ohne Licht und alleine die Isar entlang, querte das Oberföhringer Stauwehr und war in Richtung Mittlere Isarstraße unterwegs, als Emrah T. sie einholte und sie von hinten mit dem Unterarm in einen Würgegriff nahm. Er drückte mehrere Minuten so massiv zu, dass die Frau in eine tiefe Bewusstlosigkeit sank.

Das Gericht sah in seinem Vorgehen gleich drei Mordmerkmale als erfüllt an und verurteilte ihn in diesem Fall wegen versuchten Mordes und besonders schwerer Vergewaltigung. Emrah T. hatte sein Opfer bewusstlos, halb nackt bei Kälte und auf dem Bauch liegend im Gebüsch zurückgelassen. Er habe den Tod der Frau "billigend in Kauf genommen".

"Herr T., es ist schockierend, mit welcher Brutalität und Intensität Sie gegen zwei junge Frauen vorgegangen sind", spricht Richter Höhne den Verurteilten am Ende direkt an. T. solle seine Haftstrafe für Gewalt- und Sexualtherapie nutzen. "Im Wiederholungsfall ist eine Sicherungsverwahrung unumgänglich." Emrah T.s Augen bleiben geschlossen.

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Quelle:
SZ vom 28.06.2018
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