Süddeutsche Zeitung

Unterwegs mit Räumfahrzeugen:Die Schnee-Verderber

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"Kurze Zeit später sieht es aus, als wärst du nie da gewesen": Fahrzeuge räumen die Straßen frei - rund um die Uhr. Unterwegs mit der Autobahnmeisterei München-Nord.

Marco Völklein

Während Hans und die anderen draußen den Schnee räumen und Salz streuen, steht Alfred in der Küche. Auch er salzt. Jedoch nicht die Straßen, sondern einen großen Topf Kartoffelsuppe. Eigentlich hat er schon Feierabend, doch an einem solchen Tag bleibt er länger. Damit die Männer, die später Pause machen werden in der Autobahnmeisterei Nord in Freimann, etwas zu Essen haben. Und sich so stärken für eine lange Nacht.

Etwa 16 Zentimeter Neuschnee in zwei Stunden fielen am Mittwochnachmittag. Und bereits da war absehbar: Es schneit weiter. Zumindest bis ein, zwei Uhr in der Früh. Und das bedeutet Großeinsatz für die Arbeiter der Autobahnmeisterei. "Wir sind mit 15 Fahrzeugen draußen", sagt Dienststellenleiter Klaus Seuferling. "So viele hat keine andere Autobahnmeisterei." Seine Räumtruppe betreut die A9 von Schwabing bis zum Dreieck Holledau, außerdem die A99 vom Kreuz München-Nord bis zum Dreieck Feldmoching. Zahlreiche Abschnitte davon haben drei oder vier Fahrspuren.

In diesen Bereichen fahren die Räum- und Streufahrzeuge in der Regel versetzt nebeneinander - und schieben den Schnee einmal quer über die Fahrbahn komplett zur Seite. Hans Geisl sitzt in einem dieser orange-farbenen Ungetüme; seit sieben Uhr in der Früh ist er im Einsatz. Erst hat er ein paar Stunden in der Werkstatt gearbeitet. Als sich abzeichnet, dass mehr Schnee fallen wird als gedacht, steigt er in einen Truck der Autobahnmeisterei. Schneeeinsatz!

Zuvor schüttet er mit einem Radlader noch acht Tonnen Salz in die Heckmulde des Lkw, dazu pumpt er 6000 Liter Sole in die Tanks. Beides bringt er mit einem Drehteller am Heck des Lkw auf die Fahrbahn aus. An der Vorderseite des Trucks wogt ein riesiger Schneepflug. Mit zwei anderen Fahrzeugen biegt er ein auf die A9 in Richtung Nürnberg.

Langsam schieben sich die Lastwagen über die gesamte Breite der Fahrbahn, die beiden Fahrzeuge vor ihm klappen an ihrer Seite zusätzliche Schieber aus. Mit bis zu 60 Stundenkilometern räumen sie den Schnee von der Asphaltbahn. "Wenn wir rollen können, dann schaffen wir auch ordentlich was von der Straße", sagt Hans Geisl.

Am Mittwochabend allerdings stehen auch die Räum-Lkw zunächst einmal im Stau. "Mit einer solchen Schneemenge hat keiner gerechnet - auch nicht die Meteorologen", sagt Dienststellenleiter Seuferling. Bereits an den kleinsten Steigungen kommen die Lkw ins Stocken, Sattelzüge stellen sich quer. Auch viele Pkw-Fahrer, die noch immer mit Sommerreifen unterwegs sind, blockieren den Verkehr. "Die regen mich echt auf", sagt Dienststellenleiter Seuferling. Südlich des Dreiecks Holledau bildet sich ein kilometerlanger Stau.

"Die merken gar nicht, dass wir da durch müssen"

Das Technische Hilfswerk rückt mit Allrad-getriebenen Lastwagen an und zieht die havarierten Trucks von der Autobahn. Seuferlings Leute allerdings stecken im Stau dahinter fest. "Eine Fahrgasse zu bilden, ist unheimlich mühselig", sagt er. "Die Leute hören laut Musik im Auto oder sind irgendwie beschäftigt und merken gar nicht, dass wir da durch müssen." Die Räumer nutzen daher mitunter die leere Autobahn - da ja der querstehende Lkw die Fahrbahn quasi sperrt. Vorsichtig tasten sie sich gegen die Fahrtrichtung zu der Stelle vor, an der der Lkw quer steht. Sie bringen Salz dorthin, damit der Asphalt wieder Grip bietet, "notfalls auch mit Eimer und Schaufel".

Etwas weiter südlich davon ist derweil Hans Geisl in seinem Räumkonvoi unterwegs. Ein Taxifahrer versucht, sich zwischen den Räum-Lkw durchzuschlängeln. "Der hat's eilig", kommentiert Geisl trocken. Und kann sich dennoch richtig aufregen: "Das ist mordsmäßig gefährlich." Hinter ihm hat sich eine lange Reihe von Fahrzeugen gebildet, Greisl sieht die Scheinwerfer in seinem Rückspiegel. "Es ist gut, wenn wir einen kleinen Stau hinter uns herziehen", sagt er.

Denn wenn viele Autos über die Salz-Sole-Lösung fahren, vermengt sich das Salz mit dem Schnee besser - "das Salz kann so viel besser arbeiten". Auch bei anhaltendem Schneefall. Mitten in der Nacht allerdings, so gegen zwei oder drei Uhr in der Früh, wenn kaum ein Auto unterwegs ist, "dann fährst du da drüber, räumst den Schnee und salzt gut ein - und kurze Zeit später sieht es aus, als wärst du nie da gewesen", sagt Geisl.

So gegen acht Uhr am Abend treffen sich die Fahrer noch einmal in der Autobahnmeisterei. Kurze Pause. Sie löffeln Alfreds Kartoffelsuppe, ratschen, loben seine Kochkünste. Die Männer stärken sich für eine lange Nacht. Bis 24 Uhr wird Hans Geisl noch fahren. Nach 17 Stunden Dienst kommt die Ablösung.

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Quelle:
SZ vom 03.12.2010
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