Süddeutsche Zeitung

Universität:Das neue Reich der Steine

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Für 140 Millionen Euro baut die LMU ein Zentrum für ihre Geowissenschaftler. Es soll auch ihre Arbeit zur Schau stellen

Von Jakob Wetzel

Es gehe um mehr als nur einen neuen Forschungsbau, sagt Bernhard Dingwell und bekommt leuchtende Augen. Der Mineraloge ist Direktor des Departments für Geo- und Umweltwissenschaften der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU). Für seine Disziplin breche in München nun geradezu ein neues Zeitalter an, sagt er. Und dasselbe gelte für die Art und Weise, wie sich die Uni den Münchnern präsentiere.

Die Geowissenschaftler der LMU erhalten ein neues Gebäude. Am Montagvormittag haben Bayerns Wissenschaftsministerin Marion Kiechle und Universitätspräsident Bernd Huber die Siegerentwürfe des Architektenwettbewerbs vorgestellt; sie hängen noch bis einschließlich Freitag im Bereich des Speerträgers im ersten Stock des LMU-Hauptgebäudes am Geschwister-Scholl-Platz aus. An der Schillerstraße, zwischen Pettenkoferstraße und Landwehrstraße, werden ab Herbst 2019 drei Häuser abgerissen. Danach soll bis 2025 ein Neubau für knapp 140 Millionen Euro errichtet werden. Die bisher über mehrere Gebäude verteilten Geologen und Paläontologen, Geophysiker, Mineralogen oder auch Kristallkundler werden dann ein gemeinsames Quartier beziehen. Die bayerischen Staatssammlungen für Paläontologie und Geologie sowie für Mineralogie, die mit den Forschern bereits eng zusammenarbeiten, ziehen ebenfalls ein. Und sie alle sollen dort ein offenes Forum erhalten, ein Schaufenster, durch das Besucher nicht nur einen Einblick in die Bestände der Sammlungen bekommen sollen, sondern auch in die modernen Methoden der Wissenschaftler und in die Fragen, denen sie nachgehen.

Wie das konkret aussehen soll, dazu gebe es verschiedene Ideen, sagt Dingwell. Das Spektrum der Forschung in seinem Department reicht von der Simulation von Erdbeben bis zur Untersuchung fossiler Rohstoffe oder der Überreste von Tieren aus der Urzeit. Dingwell zeigt auf eine Architektenskizze, auf der das Skelett eines Mammuts in einem Foyer zu sehen ist. Anhand eines solchen Gerippes könne man zum Beispiel mit Videos erklären, was Paläontologen durch die Analyse von Knochen herausfinden können, über Veränderungen in der damaligen Umwelt oder die Evolution. Oder man könne vulkanisches Gestein ausstellen und in Videos darstellen, wie Mineralogen in Experimenten mit solchen Brocken nach dem Ursprung des Lebens suchen. "Die Entstehung des Lebens ist ja kein biologisches, sondern ein geowissenschaftliches Problem", sagt Dingwell. In dem Gestein versuche man, präbiotische Moleküle herzustellen, also die Vorläuferstrukturen organischer Zellen.

Gebaut werden soll dieses Forum voraussichtlich nach den Plänen von Ulrich Renger. Der Münchner Architekt hat den im November europaweit ausgeschriebenen Wettbewerb für sich entschieden. 111 Büros hatten einen Entwurf eingereicht, 27 kamen in die engere Wahl, Renger ist der Sieger. Sein Plan sieht ein leicht geschwungenes Gebäude mit fünf oberirdischen Stockwerken, etwa 18 000 Quadratmetern Nutzfläche und einer Fassade aus Beton, Stahl, Aluminium und Glas vor. Die letzten Details seien noch nicht geklärt, sagt Renger, aber vielleicht könne man eine grün schimmernde Glassorte wählen.

Er habe zwei Leitideen verfolgt, erläutert der Architekt: Einmal wollte er städtebaulich mit der leicht gebogenen Fassade eine einladende Raumsituation schaffen. Und er wollte einfach, aber effektiv sowohl den Besuchern einen Einblick als auch den Wissenschaftlern ein ungestörtes Arbeiten ermöglichen. Sein Entwurf sieht deshalb drei Zonen vor: Zum Platz hin sind Ausstellungsflächen, die Cafeteria und die Bibliothek vorgesehen; es folgt eine Bürozone und erst dahinter die Labore. Renger habe damit eine klare und kluge Lösung für ein komplexes Problem gefunden, lobt die Vorsitzende des Preisgerichts, die Architektin Gesine Weinmiller. Sein Gebäude füge sich zudem gut in die schwierige Umgebung ein. Für Renger ist es der erste große Wettbewerb, den er mit seinem eigenen Büro gewonnen hat. Er verwies international tätige Büros wie Gerber Architekten aus Dortmund und Auer Weber aus Stuttgart auf die Plätze zwei und drei.

Für die LMU ist der Umzug der Geowissenschaftler einer von vielen bevorstehenden. Zunächst ziehen große Teile der Uni-Klinik nach Großhadern, die vorklinischen Institute gehen auf den Campus Martinsried. Dadurch werden Flächen in der Innenstadt frei, wo die Universität expandieren kann. Der Neubau des Gebäudes für das Department für Geowissenschaften sei ein wichtiger Schritt, um das frühere Klinikviertel in einen neuen Campus für Medizin und Wissenschaft zu verwandeln, sagt LMU-Präsident Huber. Ministerin Kiechle nennt das Projekt einen Jahrhundertwurf. Und Direktor Dingwell träumt schon vom nächsten Schritt. Die Geo- und Umweltwissenschaften seien an der LMU 50 Jahre lang zersplittert gewesen, dieses Problem werde nun endlich überwunden, sagt er. Und vielleicht entstehe ja irgendwann ein richtiger Geo-Campus. Dazu fehlten nur noch die Geografen; vielleicht wollten die ja auch einmal von ihrem Department an der Luisenstraße hierherziehen. Dann wäre die Fakultät vereint.

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Quelle:
SZ vom 17.07.2018
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