Süddeutsche Zeitung

Unechte Weltkarte:Schatz der Staatsbibliothek entpuppt sich als Fälschung

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Von Theresa Parstorfer

Bislang dachte die Bayerische Staatsbibliothek, sie sei im Besitz der "Geburtsurkunde Amerikas". So wird eine Weltkarte aus dem Jahr 1507 genannt, auf der zum ersten Mal der Name "America" verwendet worden ist. Der Schatz, den die Bayerische Staatsbibliothek zu hüten glaubte, wurde jetzt jedoch als Fälschung entlarvt. Als ein weiteres Exemplar der "Globuskarte" beim Auktionshaus Christie's in London auftauchte, wurden Experten misstrauisch und wollten die beiden Dokumente vergleichen.

Nach der wissenschaftlichen Untersuchung stand fest: Die Münchner Ausgabe der sogenannten "Waldseemüllerkarte" ist kein Original, sondern eine 1960 entstandene Fälschung. Allerdings eine sehr professionelle. Klaus Ceynowa, Generaldirektior der Staatsbibliothek, sagte der Deutschen Presse-Agentur am Freitag, es handle sich um das Werk eines "klugen Restaurators". Bei der Frage, wer dieser Unbekannte gewesen sein könnte, fasse man allerdings noch ins Leere, so Ceynowa weiter. Das erschwere es der Staatsbibliothek, mögliche rechtliche Ansprüche geltend zu machen.Zwei Millionen Mark hatte die Bayerische Staatsbibliothek 1990 für sie gezahlt, im Glauben, dass es sich um eines von weltweit nur sechs Exemplaren handelte.

Das nach wie vor unumstrittene Original ist Eigentum der Universität in Minnesota. Schöpfer der Karte war allerdings der Freiburger Kartograph Martin Waldseemüller, der von 1470 bis 1522 lebte. Drei Quadratmeter ist das Original in Minnesota groß, ergänzend gibt es aber noch die sogenannten "Globuskarten", die ein wenig wie ein Bastelset funktionieren: die abgebildeten zwölf Streifen können ausgeschnitten und gefaltet werden, sodass sie eine kleine Papierweltkugel von etwa elf Zentimeter Durchmesser ergeben. Eine solche war das Exemplar der Bayerischen Staatsbibliothek.

Ein ausführlicher Bericht des Bayerischen Rundfunks erklärt darüber hinaus, dass es sogar der Waldseemüllerkarte zu verdanken ist, dass Amerika überhaupt Amerika heißt - und dass dies auf einem kuriosen Missverständnis der Geschichte beruht. Waldseemüller hatte nämlich geglaubt, der bis dato in Europa unbekannte Kontinent sei von einem Seefahrer namens Amerigo Vespucci aus Florenz entdeckt worden. Deshalb wählte er auf seiner Karte den Namen "America". Da Christoph Kolumbus den Kontinent zwar vor dem Italiener betrat, jedoch glaubte, es handelte sich um Indien, war Waldseemüller wohl der Auffassung, die beiden Abenteurer seien an zwei verschiedenen Zielen angekommen.

Ein weißer Strich, der auf dem Original der Karte in Minnesota nicht zu sehen ist, hatte die Experten in London Verdacht schöpfen lassen - ein ähnlicher weißer Strich war auch auf dem Exemplar in München gefunden worden und hatte weitere Untersuchungen motiviert. Nach dem Verlust dieses Schatzes der Geschichte, bleibt jedoch ein kleiner Trost für München: Es gibt noch eine zweite dieser Karten in München. Und diese ist, bis jetzt zumindest, keine Fälschung.

Mit Material der dpa

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