Süddeutsche Zeitung

Un po' di tutto:"Ein bisschen von allem": Der Italiener für ganz Sendling

Lesezeit: 3 min

In der Nähe der Großmarkthalle ist das "Un po' di tutto" zugleich Trattoria, Imbiss, Weinschänke und Feinkostladen - eine außerordentlich gelungene Mischung.

Von Karl-Heinz Peffekoven

Dem Leser dieser Kolumne mag aufgefallen sein, dass nicht wenige ihrer Autoren ein wenig zur Nostalgie neigen, kaum einer jedoch in so ausgeprägtem Maß wie Peffekoven. Er kann es besonders wenig leiden, wenn sich geschätzte Wirtschaften jählings in Event-Locations verwandeln, wo ein 0,1-Liter-Glas durchschnittlicher Wein plötzlich 4,90 Euro und mehr kosten und sich die Gäste bei dröhnendem Hip-Hop in die Ohren schreien müssen. Dies vorausgeschickt, muss Peffekoven bekennen, dass im vorliegenden Fall die Wehmut sehr bald einem wohligen Behagen gewichen ist. Die Rede ist vom Un po' di tutto nahe der Großmarkthalle. Das italienische Lokal ist erst seit wenig mehr als einem Jahr hier, wo früher ein türkischer Gemüsemarkt war, auch sonst wandelt sich hier in Sendling vieles; man nennt das wohl Gentrifizierung, und Peffekoven hält sehr wenig davon, wovon sich die Gentrifizierung aber nicht beirren lässt. Aber zurück zum Un po' di tutto, für das Peffekoven bereitwillig eine Ausnahme macht.

Un po' di tutto: Das bedeutet nämlich so viel wie "ein bisschen von allem", und damit ist der Charakter des Lokals im Ganzen gemeint. Es ist zugleich Trattoria, Imbiss, Weinschänke mit langer, kommunikativer Theke und Feinkostladen, eine außerordentlich gelungene Mischung. Die Wirte Gino und Reno haben eine ziemlich einmalige Sammlung regionaler Spezialitäten im Angebot, der Schwerpunkt liegt auf Sizilien. Wie die beiden bereitwillig erläutern, wollten sie auf diese Weise einen Laden für den Stadtteil eröffnen, einen fürs Herz, in dem man abends einen guten Wein trinkt oder sich einen leckeren Käse fürs Abendessen holt. Und das Konzept funktioniert. Am schönsten sitzt man draußen auf dem breiten Gehsteig, aber auch die weitläufigen Innenräume haben ihren Reiz, vor allem, weil die Tische nicht so eng beieinander stehen, dass man jedes Wort der sich anbahnenden Beziehungskrise nebenan hören muss.

Besonders köstlich erschien Peffekoven die Vielzahl der Antipasti, welche, wie die Wirtsleute glaubwürdig versichern, allesamt selbst eingelegt sind: köstliche Meeresfrüchte, feine caponata alla siciliana (süßsaures Gemüse). Besonders gefiel Peffekoven die reiche Auswahl an Parmaschinken, auch San Daniele ist sehr lohnend.

Die Auswahl an Gerichten ist nicht sehr groß, was hier aber ein Vorzug ist. Das Tagesangebot wechselt häufig und ist frisch. Zart und genau richtig gebraten war das Entrecôte auf Salzwassergarnele, in einer leichten Zitronensauce. Solche Kombinationen sind nicht selten: Fein war auch ein Salat mit gebratenem Hähnchenfilet und Garnelen. Manche Gäste kommen eigens wegen der Flammkuchen her, zum Beispiel jenem mit scharfer Salami und Pilzen, dazu grüner Salat. Sehr fein und weit oberhalb der üblichen Küchenstandards sind auch die Nudelgerichte. Pikant waren die Penne mit Salsiccia; eine Augenweide die Tagliatelle mit Spargeln, Tomaten und Parmesan, kräftig gepfeffert. Schön auch die Frittata, die italienischen Omelettes mit verschiedenen Füllungen.

Die Preise sind in Ordnung: Vorspeisen kosten meist unter zehn, Hauptspeisen meist unter 20 Euro. Nur die Weine kommen nicht ganz billig - aber wo in München wäre das anders. Ungewöhnlicherweise bot das Haus einen Service an, den man selten findet. Der Gast durfte sich im reich bestückten Weinregal eine Flasche aussuchen und bekam sie am Tisch serviert, zum Ladenpreis mit einem Aufschlag von nur zehn Euro. Hier greifen andere Wirte den Besuchern ganz tief in die Tasche, bis sie die letzten Scheinchen herausgezupft haben. Im Un po' di tutto wird das nicht passieren. Noch dazu ist die Weinauswahl wirklich liebevoll, überwiegend sind es regionale Erzeugnisse. Peffekoven gefiel besonders der "Cayega" Roero Arneis, ein strohgelber leicht fruchtiger Weißer, den man auch als "weißen Barolo" bezeichnet.

Nein, man soll den Trunk nicht verherrlichen, das ist sehr richtig so. Dennoch empfiehlt Peffekoven zum Ausklang einer ausgiebigen Mahlzeit einen klaren, würzigen Grappa Vite D'Oro, den es dazu noch im Barrique-Ausbau gibt - vielleicht wären zwei Gläser doch die bessere Alternative.

Man kann hier auch ein preiswertes Mittagsmenü essen oder sehr angenehm italienisch frühstücken, typisch sizilianische Süßgebäcke vielleicht oder einfach nur Kaffee und Cornetto. Der Kaffee ist übrigens eine Besonderheit, man bekommt ihn wahrscheinlich wirklich nur hier. Es handelt sich um die edle Marke Rekico Caffè aus Faenza, die es im Laden auch für den Hausgebrauch zu kaufen gibt.

Peffekoven genoß lauschige Abende. Man sitzt vor dem Lokal und schaut auf die schöne alte Großmarkthalle. Und wünscht sich, dass all die verkopften Stadtplaner und Bürokraten und Finanzhaie, die schon über deren gentrifizierte Zukunft nachdenken, endlich einmal Ruhe geben würden. Das werden sie natürlich nicht tun. Aber so viel Nostalgie darf trotzdem sein. Darauf bitte noch einen Grappa.

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Quelle:
SZ vom 02.08.2018
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