Gerichtsbeschluss:Bayern tut nicht genug für saubere Luft in München - und muss zahlen
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Aus dem Gericht von Dominik Hutter, München
Um deutliche Worte war die Vorsitzende Richterin Martina Scherl nicht verlegen. "Ich glaube, Sie verkennen den Ernst der Lage", herrschte sie die Vertreterin des bayerischen Umweltministeriums an. Was der Freistaat aktuell in Sachen Luftreinhaltung vorgelegt habe, sei ein "allgemeines Blabla". Eine "Alibi-Planung". Eine "halbe Larifari-Seite" mit Verweis auf einen Gutachter reiche nicht aus, um das Konzept für Diesel-Fahrverbote in München vom Tisch zu wischen, das der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) vor einem Jahr angeordnet hatte. Und überhaupt sei es ein "Unding", dass eine öffentlich-rechtliche Körperschaft einen Gerichtsbeschluss nicht befolgt, rügte Scherl.
Ein echtes Novum also, über das das Verwaltungsgericht München unter Scherls Vorsitz da am Montag zu entscheiden hatte. Eine Zwangsvollstreckung gegen den Freistaat Bayern, weil der sich hartnäckig weigert, einen rechtskräftigen Beschluss des obersten bayerischen Verwaltungsgerichts in Sachen Luftreinhaltung zu befolgen. Der VGH hatte im Februar 2017 beschlossen, die Behörden sollten trotz der ungeklärten Rechtslage ein Konzept für verhältnismäßige Dieselfahrverbote in München erarbeiten - um rasch handeln zu können, falls das Bundesverwaltungsgericht bei seiner Verhandlung Ende Februar zu dem Schluss kommt, dass es juristisch möglich ist, die Stinker auszusperren.
Dies ist nicht geschehen; der Freistaat hält Dieselfahrverbote anders als die Richter nicht für das geeignete Mittel, um die Grenzwerte für Stickstoffdioxid künftig einhalten zu können. Im Luftreinhalteplan für München stehen daher überwiegend längerfristig wirksame Maßnahmen wie der Ausbau der Nahverkehrs oder die Förderung der Elektromobilität.
Die Deutsche Umwelthilfe, in Sachen Luftreinhaltung schon beinahe Stammgast in Münchner Gerichtssälen, hatte daher eine Zwangshaft für Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU) beantragt. Weil die bisher verhängten Zwangsgelder offenbar nicht ausreichten, die Regierung zum Einlenken zu bewegen, argumentierte Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Ein paar Tausend Euro vom Umwelt- ans Innenministerium, von der linken Tasche in die rechte also, das beeindrucke die Politik nicht.
Zur Zwangshaft kommt es nun nicht, der Richterspruch fiel milder aus, als es die harten Wortwechsel in der Verhandlung erwarten ließen: 4000 Euro Zwangsgeld droht das Verwaltungsgericht an, falls der Freistaat nicht innerhalb von vier Monaten der Öffentlichkeit ein Konzept vorlegt, in dem auch Dieselfahrverbote enthalten sind. Und weitere 4000 Euro müssen sofort bezahlt werden, weil die vom VGH auferlegte Frist bis Jahresende 2017 schon verstrichen ist.
Ein "angekündigter Rechtsbruch"
"Die Möglichkeiten des Gerichts gehen nicht über das gesetzliche Instrumentarium hinaus", erklärte Richterin Scherl - nicht ohne die Gesetzeslage als unzureichend zu kritisieren. Das Stadium für drastischere Strafen sei noch nicht erreicht. Scherl machte aber klar, dass es bei weiterer Missachtung des VGH-Beschlusses noch dazu kommen könnte.
Die Vertreter des Freistaats beteuerten, alles zur Einhaltung der Stickstoffdioxid-Limits getan zu haben, was rechtlich möglich ist. Ein Dieselfahrverbot in bestimmten Straßenabschnitten sei aber in der Praxis nicht umsetzbar und obendrein wirkungslos, da sich der Verkehr dann nur verlagere. Und es sei schlicht nicht möglich, da es keine Rechtsgrundlage gebe.
Ein Argument, das das Gericht nicht gelten lassen wollte. Denn der VGH habe ja ganz bewusst keine Einführung von Dieselfahrverboten, sondern nur die Ausarbeitung eines Konzepts verlangt - dass es rechtliche Bedenken gibt, sei im Februar bekannt gewesen und beim Beschluss berücksichtigt. Für Scherl ist jedenfalls klar: Nur mit dem, was da im Luftreinhalteplan steht, sind die Schadstoff-Grenzwerte nicht einzuhalten.
Das Papier enthalte "viele Schlagworte, denen keine konkreten Maßnahmen gegenüberstehen". Es gebe weder Zeitpläne, noch sei beziffert, wie viel Verbesserung jede einzelne Maßnahme eigentlich bringe. Scherl beteuerte, dass sie es durchaus akzeptieren würde, wenn der Freistaat auch ohne Dieselfahrverbote die Schadstoffbelastung in den Griff kriege. Dies sei aber offenkundig nicht der Fall.
Remo Klinger, der Anwalt der Umwelthilfe, zeigte sich schon bei der Verhandlung enttäuscht über den absehbar milden Beschluss. Es sei offenkundig, dass der Freistaat nicht vorhabe, die VGH-Vorgaben einzuhalten, sagte er, entsprechende Erwartungen seien "naiv". Resch bezeichnete das Verhalten des Freistaats als renitent und als "angekündigten Rechtsbruch". Dass ein Staat ein Gericht ignoriere, komme außer in Bayern allenfalls noch in Polen vor.
Die Deutsche Umwelthilfe klagt schon seit vielen Jahren gegen den für die Luftreinhaltung zuständigen Freistaat Bayern. Bereits 2012 verpflichteten die Richter die Staatsregierung, alles zu tun, um die Stickstoffdioxid-Grenzwerte einzuhalten. Bislang erfolglos - München liegt nach wie vor weit über den Limits.