Süddeutsche Zeitung

Kunstprojekt über die Ukraine:Gemalte Sehnsucht

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Unsere Kolumnistin hat mit ihren ukrainischen Schülerinnen und Schülern eine Bilder-Ausstellung geplant und sie ihre Gefühle mit Farben ausdrücken lassen.

Kolumne "Zwischen Welten" von Emiliia Dieniezhna

Vergangene Woche hat meine Klasse eine Ukraine-Ausstellung an unserer Schule an der Elisabeth-Kohn-Straße erarbeitet. Dort unterrichte ich ukrainische Kinder in Deutsch und Englisch. Die Idee zur Ausstellung entstand nach einem Gespräch mit der Sozialmitarbeiterin unserer Schule. Daraufhin hat die Schule eine Nationalitätenwoche veranstaltet. Jede Klasse und jede Schülerin und jeder Schüler sollten etwas vorbereiten, um ihr und sein Land und dessen Kultur zu repräsentieren. In meiner Klasse gibt es viele, die sehr gut malen können, also haben wir uns entschieden, Bilder zum Thema Ukraine zu malen - und mit diesen Bildern unsere Gefühle auszudrücken.

Ich selber habe nichts gemalt, weil ich leider überhaupt kein Talent dazu habe. Meine Schüler aber umso mehr, so dass ich am Ende am liebsten selbst ein paar der Werke gekauft hätte. Zu Beginn haben wir entschieden, keine allzu düsteren Motive zuzulassen. Denn einige Schülerinnen und Schüler wollten zunächst über den Krieg und den Tod malen. Unsere Zielgruppe sind Gleichaltrige, und ich glaube, dass die mittlerweile schon genug darüber gehört haben. Wir wollten den deutschen Kindern vor allem ein bisschen mehr von der Ukraine erzählen.

Die Hauptthemen der Kinder waren die Nationalfarben der Ukrainer, gelb und blau. Das sind die Farben unserer Flagge, die den Himmel und die Weizenähren symbolisieren. Die Ukraine ist ein Land mit einer sehr ausgeprägten und verbreiteten Landwirtschaft, und das Weizenfeld ist für uns ein wichtiges Symbol. Zwei Mädchen haben Bilder von ukrainischen Frauen in unserer Nationaltracht Wyschywanka gemalt, sie stehen in, genau, einem Feld.

Viele haben Mohnblumen gemalt. Die sind ebenfalls sehr verbreitet in der Ukraine und erzeugen bei mir und meinen Schülerinnen und Schülern ein Gefühl von Heimat. Schülerin Daria hat die Mohnblumen in Form der Landesgrenzen der Ukraine gemalt, Karyna und Sonja haben eine ukrainische Frau nachts in ein Mohnfeld gestellt.

Einige Bilder bringen ganz erfreuliche Gefühle, die anderen aber auch traurige, wie zum Beispiel das Bild mit der Frau im Mohnfeld. Nicht immer können die jungen Künstlerinnen und Künstler ihre Gefühle deutlich beschreiben, aber manchmal sagten sie: "Ich bin traurig, und das Bild ist traurig." Ein anderes eher düsteres Bild heißt "Der Mann in den Wolken", das von Varvara und Maria gemalt wurde. Der Mann steht auch in einem Weizenfeld und sucht in der Nacht nach dem Weg. Und er sucht gleichzeitig sein Zuhause, weil er im Krieg sein Haus verloren hat.

Mir hat das Bild über meine Stadt sehr gefallen, das heißt Kyjiw und wurde von der Schülerin Lada gemalt. Sie hat das Denkmal zur Geschichte von Kyjiw gemalt. Das zeigt drei Brüder, Kyj, Schtschek und Choryw, und ihre Schwester Lybid, die als Gründer Kyjiws gelten.

Die Bilder haben wir alle in der Schule ausgestellt, und dort bleiben sie auch erst einmal hängen. Viele Mitschülerinnen und Mitschüler haben sich die Bilder angesehen, Fragen gestellt und mit uns diskutiert. Das ist beste Schuldiplomatie, direkt und kreativ.

Emiliia Dieniezhna, 35, flüchtete mit ihrer damals vierjährigen Tochter Ewa aus Kiew nach Pullach bei München. Sie arbeitet ehrenamtlich für die Nicht-Regierungs-Organisation NAKO, deren Ziel es ist, Korruption in der Ukraine zu bekämpfen. Außerdem unterrichtet sie ukrainische Flüchtlingskinder in Deutsch. Für die SZ schreibt sie einmal wöchentlich eine Kolumne über ihren Blick von München aus auf die Ereignisse in ihrer Heimat.

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