Süddeutsche Zeitung

Trudering:Viele Fragen, ein paar Antworten

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Schon lange warten Nachbarn der für einen Ausbau vorgesehenen Daglfinger und Truderinger Kurve auf Gesprächsbereitschaft der Deutschen Bahn. Die hat jetzt mit einer Infoveranstaltung reagiert - und mit Neuigkeiten

Von Nicole Graner, Trudering

18 Uhr. Der Link zur virtuellen Infoveranstaltung der DB Netze zur Daglfinger und Truderinger Kurve (TDK) ist eingegeben. Musik ertönt, und der Hinweis "Wir starten in Kürze" ist zu lesen. Man starrt auf ein Bild von Bahngleisen. Nichts passiert. Erst um 18.12 Uhr ist es soweit - wegen technischer Probleme, wie Stefanie Sklarzik, Moderatorin und Kommunikationsmitarbeiterin für die Ausbaustrecke 38 (Abs 38), erklärt. Verzerrungen, Echos - um 18.14 Uhr erlaubt die Technik ein störungsfreies Zuhören bei der ersten Bürgerinformation der Bahn zur Variantenauswertung der TDK nach langer Zeit.

Die Strecke zwischen Trudering und Daglfing soll zweigleisig ausgebaut werden, damit die Deutsche Bahn AG (DB) mehr Güterzüge durch die Stadt führen kann. Um den Südring und den Rangierbahnhof Ost zu entlasten, muss die TDK umgebaut, eine neue Trasse gefunden werden. Drei Varianten hat die Bahn untersucht: die Amtsvariante A 0 und zwei Bürgervarianten B 1 und B 2. Die Bürgervarianten haben vor allem ein Ziel: Die Schall- und Lärmbelastung für die Anwohner zu vermindern und die Trasse so weit wie möglich von den Anwohnern zu entfernen.

Die größte Kritik an der Trasse A 0, die auf vielen Ebenen in den vergangenen Wochen politisch heftig diskutiert worden ist und welche auch die Bürgerinitiative (BI) "Anwohner Truderinger und Daglfinger Kurve und Spange (TDKS) ablehnt, ist, dass sie mitten durch ein Wohngebiet führe und auf Kosten der Anwohner gebaut werde. Im Juni hatte das Projektteam der DB bereits die drei Varianten dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) vorgestellt. Das BMVI habe sich, so erklärt die Bahn auf ihrer Webseite und auch beim Webcast, für die "Amtslösung", also die A 0, entschieden. Die Bewertungskriterien für die Amtslösung hat die Bahn nun in der virtuellen Infoveranstaltung der Öffentlichkeit vorgestellt. Zahlreiche schriftliche Anfragen waren schon vor dem Webcast eingegangen. Und neue kommen während der Info-Veranstaltung hinzu. Alle zeigen sie, wie groß das Interesse an der Abs 38 ist, wie sehr die Fragen nach Lärm- und Erschütterungsbelastungen die Bürger und Anwohner umtreibt und wie sehr sie an der Planung beteiligt werden wollen. Denn ein massiver Kritikpunkt der Bürger an der Bahn ist die mangelnde Information. Immer wieder hatten BI und Stadt eine transparente Bürgerbeteiligung gefordert. Massiv drängte auch Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) in einem Schreiben an das BMVI darauf, die Bürgerinnen und Bürger in den Planungsprozess einzubeziehen - auch "in einem sehr frühen Planungsstadium".

Peter Brück von der BI kann von der "mangelnden Information seitens der Bahn" ein Lied singen. "In den letzten 20 Monaten hat es dreieinhalb Stunden Kontakt mit der Bahn gegeben." Mehr nicht. Viele Mails habe er geschrieben, immer wieder habe es geheißen, es gebe nichts Neues. Dafür habe die Bahn aber schon einmal eine europaweite Ausschreibung für Lärmschutzmaßnahmen entlang der A-0-Trasse eingeleitet, fügt Brück an.

Eine Infoveranstaltung der DB zur TDK am 3. April 2019, die bei der Bevölkerung nicht gut ankam, weil zu wenige Fragen gestellt werden konnten, wurde am 21. Mai wiederholt. Danach fand für die Öffentlichkeit keine Infoveranstaltung mehr statt. Am 24. Februar 2019 hatte es Gespräche zwischen BI und Bahn gegeben. Im Juli und am 6. November sogar zwei Treffen. "Danach war Funkstille", sagt Brück. Man hatte stets das Gefühl, "man will nicht mit uns reden". Auch SPD-Stadtrat und Green-City-Leiter für nachhaltige Mobilität, Andreas Schuster, klagt. "Man hat nicht das Gefühl, dass man neutral informiert und das Gespräch von der Bahn gesucht wird." Als Grund für die erschwerte Kommunikation gab die Bahn immer wieder "Corona" an. Ein Argument, das Schuster nicht gelten lassen will. Es habe im Sommer lange niedrige Corona-Zahlen gegeben. "Warum war es nicht möglich, in diesen Monaten online zu kommunizieren?"

Nun also der Webcast. "Wir haben natürlich darauf gehofft, dass wir Ende August wieder mit der Bevölkerung ins Gespräch kommen. Und zwar live und vis a vis", sagt Abs-38-Gesamtprojektleiter Klaus-Peter Zellmer. Deswegen habe man sich für diesen Webcast entschieden. Dazu mussten die Unterlagen für die Online-Infoveranstaltung erst aufbereitet werden. Außerdem hatte man ja den Webcast schon für den 22. September vorgesehen gehabt, den Termin aber auf Bitte der Stadt München wegen der Stadtratssitzung am 7. Oktober verschoben. Andreas Schuster kann darüber nur lachen: "Als ob die Stadtratssitzung die zeitliche Verzögerung bei der Kommunikation mit der Bahn seit Sommer ausgemacht hätte."

60 Bürger nehmen am Webcast teil. Sie stellen viele Fragen. Zur Lärmbelastung. Zum Hüllgraben. Zum Schallschutz. Wie der denn aussehe, will ein Bürger wissen. Man habe, erklärt Müller, für alle drei Varianten einfach mal mit vier Meter hohen Lärmschutzwänden gerechnet. Denn eine Untersuchung habe man noch nicht gemacht, sie werde aber mit dem Planfeststellungsverfahren nach den gesetzlichen Vorgaben "ausgeplant". Viele Fragen und viele Antworten, die Abs-38-Projektleiterin Susanne Müller gibt. Und es hätten noch weit mehr sein können, wenn es keine zeitliche Begrenzung des Webcasts gegeben hätte. So zum Beispiel im Hinblick auf die überraschende Nachricht, dass die Bahn ihre Variante A 0 nun doch nachbessert. Müller spricht von einer A 1 und von Optimierung. Gleisachsen sollen in der Truderinger Kurve so verschoben werden, dass sich der Abstand zur Wohnbebauung erhöht. Nicht geklärt wird auch, welche Auswirkungen ein Erweiterungsprojekt in Steinhausen auf die Trassen der TDK hat.

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Quelle:
SZ vom 15.10.2020
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