Süddeutsche Zeitung

Trudering:Abschied ohne Tränen

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25 Jahre lang hat Martina Hansel-Wolfshörndl das Familienzentrum geleitet, hat das Haus aus den roten Zahlen geführt, den Umzug an den Dompfaffweg und den Umbau über die Bühne gebracht. Dass sie jetzt in Ruhestand geht, sieht sie auch als Chance, etwas Neues anzufangen

Von Ilona Gerdom, Trudering

Manchmal trifft man Menschen, die vor Energie sprühen. Durch ihre bloße Anwesenheit fängt man selbst Feuer. Martina Hansel-Wolfshörndl ist so eine Frau. 35 Jahre lang hat sie im Familienzentrum Trudering gearbeitet, 25 davon war sie die Leiterin. Jetzt geht die 64-Jährige in den Ruhestand.

Durch die Dachfenster scheint die Sonne in Martina Hansel-Wolfshörndls Büro. Die Wand ist grün gestrichen, ein rotes Sofa lädt zum Verweilen ein. Die Chefin hat auf einem Hocker Platz genommen. Man merkt schnell: Sie erzählt gern, noch lieber macht sie. Keine fünf Minuten sitzt sie still. Stattdessen wippt sie vor und zurück, dreht den Stuhl nach links und rechts oder stützt die Arme in die Hüften. Angefangen habe alles 1983, als sie das Angebot des Familienzentrums genutzt habe, sagt sie. Generell ist die Einrichtung ein Ort, um zusammenzukommen, aber auch einer, an dem man Hilfe und Beratung findet. Von Schwangerschaftsberatung über Kinderbetreuung bis hin zu Computer-Fortbildungen für die Älteren ist alles dabei. Kurz gesagt, ist es ein Mehrgenerationenhaus, in dem es vor allem darum geht, andere Menschen kennenzulernen und sich auszutauschen. Deswegen kam Hansel-Wolfshörndl damals hierher: "Ich war neu zugezogen und suchte, so wie viele andere Mütter auch, Kontakt". Bald darauf übernahm sie ehrenamtlich eine Eltern-Kind-Gruppe. Ein Jahr später war sie schon im Vorstand. Hauptberuflich arbeitete sie als Fremdsprachenkorrespondentin. 1990 entschloss sie sich, Sozialpädagogik zu studieren. Fünf Jahre später hatte sie die Leitung des Zentrums inne. Sie erinnert sich: "Ich dachte: Das ist unglaublich. Das macht alles so viel Freude und jetzt kriegst du auch noch Geld dafür!"

Unter Hansel-Wolfshörndl ist einiges passiert. Das Zentrum ist umgezogen, wurde umgebaut und mit Kinderkrippe- und Garten ausgestattet. Vieles davon sei in ihrem Kopf entstanden, erzählt die Sozialpädagogin, "aber getan haben es die Menschen." Ihr ist wichtig: Was es hier gibt, ist ein Gemeinschaftsprojekt. Orientiert habe man sich dabei an der Vision, die schon die Gründer hatten: "Ein überdachter Marktplatz für Trudering".

Mit Oberflächlichkeiten tut sich die ehemalige Leiterin nicht groß ab. Das sieht man ihr sogar an. Sie trägt eine schlichte schwarze Hose, ein schwarzes Oberteil und die Haare kurz. Ähnlich pragmatisch ist sie an ihren Job herangegangen: "Ich habe immer hart am Bedarf gearbeitet. Ich habe immer geguckt, was im Stadtteil gebraucht wird." Doch sie hatte nicht nur ein Ohr für die Bedürfnisse des Viertels, sondern auch für die Ideen. Manche hätten zu ihr gesagt: "Du sagst nie Nein." Sie finde es eben einfach toll, wenn Menschen sich für andere engagieren. "Ich bin dann ganz begeistert und sage: Ja, wenn's irgendwie möglich ist, machen wir das."

Doch selbst wenn man dem Leben wohlgesinnt entgegentritt, kann es einem Steine in den Weg legen. In Hansel-Wolfshörndls Anfangszeit zum Beispiel war das Haus in den roten Zahlen. Überall habe man sparen müssen. Jeden Tag hatte sich die neue Chefin gefragt: "Schaffen wir es zu überleben?" Als sie sich für den Umzug von der Bahnstraße an den Dompfaffweg 10 entschied, hätten sie viele für verrückt erklärt. Aber ihr war klar: "Wenn wir weitermachen wollen, brauchen wir mehr Raum." Kaum hatte man sich eingerichtet, kam der nächste Rückschlag. Die Vermieter wollten an einen Investor verkaufen. "Da sank mir das Herz in die Hose", sagt Hansel-Wolfshörndl heute. Trotzdem verließ der Optimismus sie nicht: "Ich hatte eine ganz tiefe Gewissheit in mir: Es wird klappen. Es geht weiter." Und tatsächlich: Die Stadt München kaufte das Gebäude. Von da an hatte die Einrichtung sowohl einen sicheren Platz als auch an die 1500 Quadratmeter für sich.

Ihren Abschied nimmt Hansel-Wolfshörndl gelassen. Vielleicht liegt das Traurigsein einfach nicht in ihrer Natur. Veränderungen sieht sie als Chancen. Zwar sei das Zentrum wie ein drittes Kind: "Aber Kinder werden erwachsen, und irgendwann muss man sich von ihnen trennen." Das sei für beide gut. Jetzt müsse etwas Neues kommen. Und so ganz geht Martina Hansel-Wolfshörndl ja gar nicht. Sie bleibt als Ehrenamtliche.

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SZ vom 13.01.2021
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