Süddeutsche Zeitung

Tierpark Hellabrunn:Braunbärin wird 40 - die Löwen warten schon

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Der Tierpark Hellabrunn plant ein neues Großkatzen-Gehege mit Besucherhöhlen und Kontaktgitter.

Kolumne von Kassian Stroh

Oma ist wahrlich nicht mehr die jüngste, die Zipperlein werden jeden Monat mehr - da wird man sich doch mal Gedanken machen dürfen. Also haben sie sich getroffen, die Kinder und Enkel, und haben überlegt, was sie mit Omas Hinterlassenschaften dereinst anfangen könnten. Das Sparbuch kriegt der Korbinian, die Aktien die Anna - und für das Häuschen, ja, da haben sie diesen Investor gefunden, Millionengrund oder so heißt er. Der will das Ding abreißen und einen Block mit zwölf Appartements hinbauen. Geht problemlos, sagt er.

So sitzt also die Verwandtschaft im Wohnzimmer und verteilt fröhlich Omas Erbe, als ob sie tot wäre, dabei hält sie nebenan Mittagsschlaf. Ist das gemein? Zynisch? Oder vernünftig? Zum Glück ist es nur fiktiv.

Real ist es im Tierpark Hellabrunn. Da heißt die Oma Olga, sie ist hochbetagt. Olga ist die Braunbärin im Zoo. Noch hält sie Winterschlaf in ihrer Höhle, aber ein paar hundert Meter weiter ist seit dem Wochenende auf Schautafeln zu sehen, was aus Omas Höhle nebst Gartengrundstück mal wird: ein Löwen-Gehege, mit Felsen und Wasserläufen, mit "Besucherhöhlen" und Glasscheiben, um die Tiere ganz direkt sehen zu können. Alles schon im Detail gezeichnet, alles vorbereitet.

Das einzige, was fehlt, ist: der Tod. Das verschweigen die Zoo-Verantwortlichen auch gar nicht: "Auf dem jetzigen Braunbären-Areal wird nach dem Ableben der dort noch untergebrachten Braunbärin Olga eine moderne Löwen-Anlage entstehen", steht gleich als erster Satz auf der Tafel. Ist das gemein? Zynisch? Oder einfach nur eine vernünftige Vorbereitung?

Olga wird's ihnen eh zeigen. Sie wird bald wieder hervorkommen aus ihrer Winterschlaf-Höhle, sie hat ja noch was vor in diesem Jahr, sie will ihren 40. Geburtstag feiern. Und denen, die sie dann hochleben lassen und hintenrum heimlich ihr Erbe verteilen, wird sie schon zeigen, dass sie die Rechnung ohne die Chefin gemacht haben.

Ach, wenn Olga wüsste, was die vom Tierpark alles vor haben mit ihrem schönen Garten: Beim neuen Löwen-Gehege soll es ein "Kontaktgitter" geben, an dem die Besucher die Tiere sogar riechen können. Damit hätte Olga mal einer kommen sollen, das hätte die alte Dame nie geduldet. Überhaupt ziemlich anrüchig, diese Erbverteilerei.

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Quelle:
SZ vom 08.03.2017
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