Süddeutsche Zeitung

Szene München:Ende der Schaumschlacht

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Je aufwendiger ein Cocktail gemixt ist, desto hipper? Von wegen. Jetzt wird auf die molekulare Mixhysterie verzichtet. Das ist für alle Beteiligten von Vorteil.

Von Andreas Schubert

Was haben sie nur für ein Gewese gemacht um die neue Trinkkultur! Eine Zeitlang schien zu gelten: Je aufwendiger ein Cocktail gemixt und je komplizierter sein Name auszusprechen ist, desto hipper kann sich der Gast fühlen. Die molekulare Mixhysterie hat zu einer regelrechten Schaumschlacht auf den Cocktailgläsern geführt. Es gab Drinks mit Paprikaschaum obendrauf oder mit Rosmarindampf drinnen. Letzteres tischten sie einem im Gamsei auf, einem Laden, dessen revolutionäres Konzept wohl nicht allzu viele Münchner verstanden haben und der Ende Januar nach nur zwei Jahren wieder zugemacht hat.

Die Cocktailkunst geht offenbar einen neuen Weg: In der Zephyr-Bar, wo es nach wie vor ganz wunderbare Drinks gibt, entsagen die Keeper neuerdings der Schaumschlägerei. Das mögen Connaisseure zwar schade finden, gleichwohl ist die Begründung nachvollziehbar: Die ganze Schaumquatsch-Deko hat so viel Zeit in Anspruch genommen, dass man sich während der Wartezeit bei Hochbetrieb zehnmal einen mit Bier hätte anleuchten können. Jetzt dauert es nicht mehr halb so lange und alle sind zufrieden: Die Gäste, weil sie ja zum Cocktailtrinken gekommen sind und nicht zum dumm Rumstehen und mutmaßlich auch die Barkeeper, die wieder mehr Hochprozentiges unters Volk bringen.

Noch einen Schritt weiter ist man im Café Mozart, das zwar nie wegen abgefahrener Drink-Kreationen von sich reden gemacht hat, dessen Standards sich aber sehen lassen können. Denn im Mozart mixt in der Regel nicht mehr der Keeper, sondern eine Cocktailmaschine, alles auf Knopfdruck. Ein Mai Tai schmeckt dort wie ein Mai Tai eben schmecken soll. Das wars. Sonderwünsche, die nicht auf der Karte stehen, werden nur noch ausnahmsweise erfüllt. Nichts für Hobby-Mixologen - doch wenn sie unbedingt etwas mit Schaum wollen, können sie ja auch einen Cappuccino bestellen.

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Quelle:
SZ vom 24.04.2014
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