Süddeutsche Zeitung

Szene München:Einreiten ist Chefsache

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Wenn ein Wirt möchte, dass seine Gäste wiederkommen, inszeniert er sich am besten als "schwieriges Pony". Eine Analyse, wie Unverschämtheit zum Publikumsmagneten wird.

Von Jakob Biazza

In Haidhausen kommt die Kellner-Schnoddrigkeit in Schüben. Und gerade häufen sich die Unverschämtheiten wieder sehr. Noch gar nicht lange her, da war etwa diese Szene zu beobachten: Ein Paar stellte in einem bekannt vollen Lokal - sagen wir mal in der Wörthstraße, aber bitte, in der Maxvorstadt ist die Logik dieselbe - die nicht gerade ungewöhnliche Frage, ob man denn "noch zwei" irgendwo unterbekomme. Interessant ist jetzt die Bedienung. Die beantwortete die Frage erst mit einer Gegenfrage: Ob das denn so aussehe? Und dann mit einer steilen These: Wenn man die Augen nämlich aufmache, dann müsse man ja sehen, dass das überhaupt nicht so aussehe.

Und der erste Gedanke wäre nun wohl: Ganz fatales Marketing! Richtig? Falsch. In München greift nämlich im besonderen Maße die von einer Kollegin entwickelte Theorie - ach was, Weltformel - der "schwierigen Ponys". Die schwierigen Ponys, das sind zunächst einfach die wilden, ungezähmten Furys und Black Beautys aus den (Mädchen-)Romanen. Die Tiere also, die nur ganz Auserwählte reiten können.

Auf einer Metaebene meinen sie allerdings die vielen inszeniert schwierigen Menschen, denen man täglich begegnet. Das können Chefs sein. Meistens sind es aber eben Kellner und Barkeeper. Auch bei denen gilt: Einreiten ist Chefsache. Wer das schwierige Pony zähmt, dem schnodderigen Heini hinter der Bar also zum Beispiel so etwas wie Höflichkeit oder gar Respekt abringt, ist der Held. Weil wir ja blöd genug sind, hauptsächlich in Bars zu rennen, von denen wir denken, dass Wirt und Personal noch etwas cooler sind als wir selbst. Ganz fantastisches Marketing also. Behandle deine Gäste schlecht, und sie kommen wieder. Wenn ein Pferd dich abwirft, steigst du ja auch wieder auf.

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Quelle:
SZ vom 02.04.2015
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