Süddeutsche Zeitung

Ausgehen:Datinghilfe Smartphone

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Früher hingen Club-Besucher an den Lippen ihrer Bekanntschaften, heute am Display. Das hat manchmal seine Vorteile.

Glosse von Andreas Schubert

Früher war Ausgehen wahnsinnig kompliziert. Man musste gedruckte Buspläne lesen oder von einer Telefonzelle aus ein Taxi rufen. Wer sich in einer überfüllten Kneipe mit mehreren Leuten verabredet hatte, musste so lange davor warten, bis alle endlich da waren. Wenn man bei einer Verabredung zu Hause anrief (so nannte man einst Dates), konnte es passieren, dass die Mutter ranging und man in einen peinlichen Smalltalk verwickelt wurde. Und wenn einem jemand in der Disco (Vorläufer von Clubs) gefiel, musste man sie oder ihn schon selber ansprechen. Wie gesagt: Es war kompliziert.

Heute regelt das alles das Smartphone. Über die Tinder-Dating-App weiß jeder schon vorher, wer und was ihn am Abend erwartet. Sollte sich jemand Aufregenderes kurzfristig dazwischen tindern, kann man ja immer noch per Whatsapp absagen. Zu beobachten ist dieses Spiel etwa vor Bars im Glockenbachviertel oder den Clubs an der Feierbanane, wo nachts immer mehr Leute draußen stehen - nicht zum Rauchen, sondern um mit ihren Smartphones herumzumachen statt mit ihren Dates, die vielleicht gerade abgesagt haben.

Warum das manchmal nützlich sein kann

Gut ist in so einem Fall, dass es unter den Ausgehhilfen auch Apps gibt, die einen im Falle des Versetztwerdens daran hindern, im Suff wütende Textbotschaften zu verschicken oder, noch schlimmer, anzurufen. Bei diesen "Drunkblockern" speichert man Kontakte, die erst wieder zur Verfügung stehen, wenn der Nutzer bewiesen hat, dass er nüchtern ist - etwa indem er fehlerfrei das Alphabet eintippt oder Rechenaufgaben löst.

Ein betrunkenes Wasichdirschonimmersagenwollte-Gejammer per Telefon ist dann nicht mehr so leicht möglich. Wer Angst hat, dem Objekt der Wut live zu begegnen, kann sich außerdem selbst eine SMS schicken, die zu einer bestimmten Uhrzeit ankommt und einen von Ausrastern abhalten soll. Auf sein nüchternes Ich von vor fünf Stunden muss man dann aber schon von selbst hören - da hilft auch das smarteste Smartphone nicht mehr.

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Quelle:
SZ vom 12.11.2015
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