Süddeutsche Zeitung

SZenario:Wo bei einem Glas Wein Politik gemacht wird

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Von Philipp Crone, München

Es ist an diesem Abend für jeden ein wenig Spannung dabei, ob für Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, ihre norwegische Kollegin Ine Marie Eriksen Søreide oder Siemenschef Joe Kaeser. Sie gehören zu den etwa 150 Gästen, die traditionell am Freitag der Sicherheitskonferenz von Anwalt Wolfgang Seybold und dem Unternehmen Linde zum deutsch-amerikanischen Freundschaftsdinner geladen werden.

Was als spontane Aktion vor vielen Jahren begann, weil es keine Abendplanung gab, ist längst ein fester und wichtiger Bestandteil der Konferenz. Wenn im holzgetäfelten ersten Stock des Käfer-Restaurants an der Prinzregentenstraße bei Champagner, Bier und Häppchen geplaudert wird, dann passiert mehr, als dass sich Wirtschafts- und Politikgrößen nur zum Essen treffen.

Verteidigungsministerin Von der Leyen schätzt die Vielfalt der Gäste

Kaeser schwenkt sein Glas Rosé-Champagner und sagt: "Die geopolitischen Spannungen haben ja sehr zugenommen. Und es spielen beim Thema Sicherheit immer mehr Dinge eine Rolle, wie zum Beispiel die Digitalisierung und die Datensicherheit." Das sei dann eben auch schnell wirtschaftlich relevant, und damit wichtig für ein Unternehmen wie Siemens. "Das Waffenstillstandsabkommen in Syrien ist der richtige Weg", sagt Kaeser. "Aber noch ist es nur ein bedrucktes Stück Papier."

Von der Leyen steht ein paar Schritte weiter beim Empfang vor dem Essen und lächelt. "Dieses Dinner hat zwei Vorteile. Zum einen ist man nicht so durchgetaktet wie sonst. Und zum anderen trifft man hier auch immer auf interessante Leute aus anderen Bereichen, da kann man auch mal querdenken und kommt vielleicht auf neue Ideen." Wie zum Beispiel im Gespräch mit Paul Achleitner von der Deutschen Bank oder Nikolaus von Bomhard, Chef der Münchner Rück.

Ein konstruktives Gespräch ist ist vor Mikrofonen schwieriger als beim Glas Wein

Klar, die Einladung gehört nicht zum Programm, sie ist offiziell inoffiziell. Dabei ist natürlich das Gegenteil richtig, es ist eine inoffiziell offizielle Zusammenkunft. Allein schon deshalb, weil sich hier die Entscheider treffen. Das Besondere: Es muss in den Gesprächen am Abend nichts passieren, aber es kann. Und so ist es eben eine andere Atmosphäre als im zur Festung gesicherten Bayerischen Hof. Da muss meist etwas passieren - diesmal der Waffenstillstand in Syrien -, kann aber oft nicht.

Doch ein konstruktives Gespräch, und in der Hinsicht sind die Entscheider auch nicht anders als der Normalbürger, ist eben vor Flaggen und Mikrofonen deutlich mühsamer, als bei einem guten Glas Wein, Kerzenlicht und einem rosa gebratenen Kalbsrücken. Da kann man dann entspannt über Zukunftsszenarien sprechen, wie Norwegens Verteidigungsministerin etwa mit dem russischen Investor Kirill Dmitriev oder Frank Gorenc, Befehlshaber der US-Luftstreitkräfte in Europa. Und immer steht im Raum, ob man nicht bei einem Thema einen neuen Ansatz findet. Es ist ein ganz anderer Verhandlungstisch, an dem die Gäste an diesem Abend sitzen. Einer der gut gedeckt ist, und da kommt man eben, wie Ursula von der Leyen sagt, oft auf neue Ideen.

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Quelle:
SZ vom 13.02.2016
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