Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie, Münchner Chefzimmer, Folge 18:Haltung zeigen im Liegestuhl

Lesezeit: 3 min

Mit diesem Wintersemester beginnt die zweite Amtszeit von Bettina Reitz als Präsidentin der Hochschule für Fernsehen und Film München. Von ihrem Schreibtisch aus kann sie auf die Alte Pinakothek blicken - oder auf die drei Oscar-Statuen, die sie als Co-Produzentin gewonnen hat

Von Bernhard Blöchl

Wer das Büro von Bettina Reitz betritt, hat ein Problem. Und damit sind nicht die Probleme gemeint, die Studierende oder Professoren tagein tagaus an ihre Chefin herantragen. Als Besucher steckt man in einem anderen Konflikt, einem Luxuskonflikt: Wo nur als erstes hinschauen, was als erstes bestaunen in diesem großen Büro mit der riesigen Fensterwand im dritten Stock der Hochschule für Fernsehen und Film, die alle nur HFF nennen? Sind es die drei Oscars auf der bodennahen Ablage? Ist es die Aussicht? Ist es das Waldbild an der Wand?

Keine Filmplakate, dafür ein Waldbild. "Ich bin ein Naturkind", sagt Bettina Reitz, die im Taunus aufwuchs.

Film ist ihre Welt - ob als Präsidentin der Münchner Filmhochschule oder davor als Fernsehdirektorin des Bayerischen Rundfunks. Als Koproduzentin hat Bettina Reitz drei Oscars gewonnen, ihr Büro mit Blick auf die Alte Pinakothek...

...ist voller Preise,...

...Bücher und Erinnerungsstücke.

Und wenn sie sich mal ausruhen muss, steht ein schickes Sofa bereit.

Bettina Reitz fuchtelt zunächst mit dem Staubwedel herum. "Ich habe meinen Schreibtisch noch mal schnell abgewedelt", sagt sie und lächelt. Dann beginnt sie mit ihrer Führung - und kommt schon bald auf die Aussicht zu sprechen: "So einen schönen und interessanten Blick hatte ich noch nie. Man muss sich daran gewöhnen, weil er auch ablenkt." Man sieht die Alte Pinakothek in voller Pracht, die Wiese davor mit all den Menschen, Daniel Hahns Schienenbusprojekt Minna Thiel. Seit 2011 hat die HFF ihren Sitz im Kunstareal. Seit Herbst 2015 ist Reitz Präsidentin, die erste hauptberufliche Präsidentin. Erst kürzlich wurde sie in ihrem Amt bestätigt, diesmal für sechs Jahre.

Vielfältig wie die Bücher und die zur Schau gestellte Trophäensammlung in ihrem Büro ist die Vita der in Frankfurt geborenen Wahl-Münchnerin. Vor ihrer Zeit an der HFF war sie Fernsehredakteurin, Produzentin, Autorin und Regisseurin, sie war beim Hessischen Rundfunk, beim ZDF, Geschäftsführerin bei der Degeto Film und im Aufsichtsrat des Film-Fernseh-Fonds Bayern. Von ihrer langen Zeit beim Bayerischen Rundfunk, unter anderem war sie dort Fernsehspielchefin und Fernsehdirektorin, zeugen die drei Oscar-Statuen, die unterhalb der Fensterwand stehen. Schlichte Nachbildungen freilich. Sie erinnern Bettina Reitz an die prämierten Filme "Das Leben der anderen" von Florian Henckel von Donnersmarck, "Amour" von Michael Haneke und "Citizenfour" von Laura Poitras. Bei allen Produktionen war der BR involviert. "In Deutschland ist es doch recht ungewöhnlich, dass man einmal im Leben als Co-Produzentin die Oscar-Freude teilen kann." Reitz ist das drei Mal gelungen. Sie fügt hinzu: "Ich werde nie wieder sagen: once in a lifetime."

Besonders am Herzen liegt ihr der Oscar aus dem Jahr 2007 für "Das Leben der anderen". Hat Henckel von Donnersmarck doch mit dem Film sein Studium an der HFF abgeschlossen. Bettina Reitz hatte seinerseits den jungen Regisseur in einem Telefonat nachhaltig zum Ende des Films inspiriert. Sagt sie zumindest. Davon zeugt auch eine Widmung, die er ihr in ein Buch geschrieben hat, das ebenfalls im Büro ausgestellt ist: "Für Bettina, der ich so viel verdanke (unter anderem die Szene, für die ich am meisten gelobt werde)", ist da zu lesen.

Bei der Frage, wohin der Blick als nächstes wandern soll, fällt auf: Es gibt kein einziges Filmplakat im Büro der Filmfrau. "Das mag jetzt erst mal überraschen", erklärt sie, "aber letztendlich auch wieder nicht." Es habe schlicht damit zu tun, dass sie in ihrer Biografie so viele Filme als besonders und wertvoll betrachte. "Es würde mir sehr schwer fallen, mich für einzelne zu entscheiden." Um sich nach schwierigen Entscheidungen zu entspannen, hat sie einen Liegestuhl und eine Chaiselongue in ihrem Büro herumstehen. Um "auch mal die Beine hochzulegen, einen Moment die Augen zuzumachen, bevor es dann gefühlt 24 Stunden durchgeht", wie sie sagt. Innere Ruhe verschafft ihr auch das Bild hinter dem Schreibtisch, das sie zum Abschied vom BR geschenkt bekommen habe. "Ich bin ein Naturkind, ich komme aus dem Taunus, wo ich in einem kleinen Ort groß geworden bin", erzählt die 57-Jährige. Mit ihrem Vater sei sie früher oft im Wald spazieren gegangen. Auch heute noch zieht es sie regelmäßig in den Wald. "Die Nähe zum Englischen Garten ist ein Privileg meiner Wohnung in München."

Das Porträtfoto zu diesem Text kann freilich nicht im Wald gemacht werden. Bettina Reitz zeigt sich flexibel, hat jedoch einen Wunsch an den Fotografen: bitte nicht mit dem Staubwedel in der Hand. Nun gebe es schon mal eine Frau an der Spitze einer Kunsthochschule, da sollte man missverständliche Assoziationen vermeiden. Haltung hat sie, die Frau Reitz.

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Quelle:
SZ vom 07.11.2019
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