Süddeutsche Zeitung

SZ-Adventskalender:Mit Fleiß kein Preis

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Mehdi war sein Leben lang auf der Flucht. In München beschloss der 27-Jährige, nicht nur auf das Ergebnis seines Asylverfahrens zu warten, sondern Informatik zu studieren. Seitdem bekommt er vom Staat kein Geld mehr.

Von Inga Rahmsdorf

Mehdi ist Asylbewerber und Student. Eine Kombination, die in Deutschland nicht vorgesehen ist. Als er im September seinen Studentenausweis erhält, ist er seinem Traum ein Stück nähergekommen. Er will Informatik studieren. Danach am liebsten in einem internationalen Unternehmen arbeiten. Doch weil der 27-Jährige studiert, erhält er keinerlei finanzielle Unterstützung mehr.

Vor drei Jahren floh Mehdi, dessen Nachname zu seinem Schutz nicht in der Zeitung stehen soll, nach Deutschland, beantragte Asyl, wurde einer Münchner Gemeinschaftsunterkunft zugewiesen. Und er erhielt Sozialleistungen. Ein kleiner Beitrag zum Leben, so sieht es das Asylbewerberleistungsgesetz vor. Doch der 27-Jährige wollte nicht nur warten, er wollte lernen, vorankommen, studieren. Er brachte sich selbst Deutsch bei, meldete sich für den Aufnahmetest beim Studienkolleg in München an. Und bestand. In der staatlichen Einrichtung durchlaufen ausländische Bewerber ein Vorbereitungsstudium, um anschließend an deutschen Hochschulen zu studieren.

Als Mehdi vor drei Monaten dort begann, wurden seine Sozialleistungen gestrichen. Als Student falle er nicht mehr unter das Asylbewerberleistungsgesetz, so die Begründung. Er könne ja Bafög beantragen. Doch das erhält er nicht, weil er noch im Asylverfahren ist. Eine kafkaeske Begründung, sagt der für ihn zuständige Mitarbeiter der Bildungsberatung beim städtischen Referat für Wohnen und Migration. "Mehdi lässt sich in seinem Traum nicht beirren und ist bereit, dafür das Risiko eines existenziellen Kollapses einzugehen." Dafür brauche man schon viel Energie und Leidenschaft.

Mehdi, schwarze kurze Haare, ein offenes Lachen, erzählt mit ruhiger Stimme. Von seiner Familie, die er vermisst, von seinem kranken Vater, den er seit vier Jahren nicht gesehen hat. Von dem langen Weg, den er zurücklegen musste, bis er in Deutschland seinen Studentenausweis in Händen halten konnte. Mehdi war sein Leben lang auf der Flucht. "Deswegen wollte ich in ein Land gehen, das die Rechte der Flüchtlinge achtet", sagt er. Er ist im Iran geboren und aufgewachsen, seine Eltern sind Afghanen, gehören einer ethnischen Minderheit an, die Familie wurde diskriminiert. Er hatte im Iran keine Aufenthaltspapiere, floh in die Türkei. Auch dort konnte er nicht studieren. "Wir wurden immer nur als Bürger zweiter Klasse behandelt", sagt er. In Deutschland sei das anders. Immer wieder bedankt er sich für die Unterstützung, die er in München erfahren habe. Für die Möglichkeiten, die er in Deutschland hat. "Ganz besonders eine Familie hat mir immer sehr geholfen." Nur eines versteht Mehdi nicht. Warum er finanzielle Unterstützung bekommen würde, wenn er nur in der Unterkunft herumhängen würde. Aber nicht, wenn er studiert.

Er wohnt immer noch in einer Gemeinschaftsunterkunft, zum Lernen geht er in die Bibliothek oder im Sommer in den Englischen Garten. Er wäre dankbar für jede noch so kleine Unterstützung, um weiter studieren zu können. Sein größter Wunsch ist es, in Deutschland bleiben zu dürfen. Immer begleitet ihn die Angst, dass er abgeschoben werden könnte. "Es wäre schön, eines Tages in Sicherheit und ohne diese Angst leben zu können", sagt er. Das hat Mehdi in seinem Leben noch nie erlebt.

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Quelle:
SZ vom 06.12.2018
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