Süddeutsche Zeitung

Stimmen zum Tod von Helmut Dietl:"Karl Valentin der Neuzeit"

Lesezeit: 6 min

Helmut Dietl hat in die bayerische Seele geschaut wie kaum ein anderer. Wegbegleiter wie Senta Berger, Bully Herbig, Michaela May und Konstantin Wecker erinnern sich.

Von SZ-Autoren

Michaela May, Hauptdarstellerin in den "Münchner Geschichten": "Dem Helmut verdanke ich alles, durch ihn bin ich beim Schauspielberuf geblieben. Er hat mit seinen Serien Kult geschaffen, mit seinem Gefühl für das tief Bayerische, diese Wehmut und das gleichzeitig Raffinierte. Bahnbrechend waren die "Münchner Geschichten", weil da zum ersten Mal das damalige Jugendgefühl in Bayern beschrieben wurde. Für mich ist Helmut Dietl der Karl Valentin der Neuzeit. So wie er die bayerische Seele erkennen konnte. Bei Jung und Alt gleichermaßen. Der Charlie und die Susi in den "Münchner Geschichten" genauso wie die Oma Häusler. Das waren Figuren, die kaum jemand so liebevoll und wahrhaftig schildern konnte wie er, mit ihrem hintersinnigen Humor."

Mario Adorf, Darsteller in "Kir Royal" und "Rossini": "Seit unserer ersten Zusammenarbeit in "Kir Royal" war Helmut Dietl mein Lieblingsregisseur, vor allem natürlich, weil er meine komödiantische Seite zu fordern verstand, aber gleichzeitig ein anspruchsvoller Regisseur war, der sich nicht mit dem Erstbesten, sondern nur mit dem Guten dem Richtigen zufrieden gab, wenn überhaupt. Ich liebte gerade seine grantlerische Unzufriedenheit, seine böse Ironie. Er war ganz besonders, wie es am Theater vielleicht Fritz Kortner war. Jetzt fehlt er uns sehr. Wir werden es merken."

Innegrit Volkhardt, Bayerischer Hof: "Ich habe zuletzt in der vergangenen Woche Kontakt zu ihm gehabt, da ging es ihm schon sehr schlecht. Er war eine Münchner Persönlichkeit, eine Figur, die München geprägt hat. Er hat mit seinen Beobachtungen zum ersten Mal geschildert, was in der Münchner Gesellschaft geschieht, er hat es mit einem Schmunzeln auf den Punkt gebracht. Und damit hat er auch das Bild geprägt, wie man von außen auf die Münchner schaut. Dieses Einzigartige in München, das hat er zum Ausdruck gebracht. Ich kannte ihn 20 Jahre lang, er hat ja für "Kir Royal" auch im Bayerischen Hof gedreht und vorher viel beobachtet. Beim Filmball war er auch immer im Mittelpunkt. Er war ja inmitten der Gesellschaft, die er da beschrieben hat. Ein ganz wunderbarer Mensch, eckig, aber das war ja gerade das Charmante."

Dieter Reiter, Oberbürgermeister: "Mit Helmut Dietl verlieren wir einen Menschen, der als Regisseur und Autor enorm viel zur Bedeutung Münchens als einem der wichtigsten Film- und Medienstandorte beigetragen hat. Er war ein Meister darin, mit eigener künstlerischer Handschrift, satirische Porträts des Münchner Society-Lebens zu zeichnen. Sein Tod macht mich traurig."

Franz Xaver Bogner, Regisseur: "Ich dachte ja, dass er es gepackt hätte. In den letzten Interviews klang er noch so zuversichtlich. Diese Nachricht trifft. Das ist eine bestimmte Wertigkeit, die Helmut diesem Beruf des Regisseurs gegeben hat. Er war eine fixe Größe, an der man, auch ich, gemessen wurde. Man hat sich an ihm orientiert und auch gerieben. Er stand für die Superkomödien, die auch immer mit seiner Erscheinung in Verbindung standen. Wenn so etwas plötzlich weg ist, dann erschrickt man. Auch bei dem Gedanken, dass es jetzt nie wieder einen Dietl-Film oder eine Dietl-Serie geben wird. Gerade mit den "Münchner Geschichten" hat er eine Marke gesetzt, mit der Art und Weise, wie er Komik definiert hat. Helmut und ich kannten uns, zwar nicht sehr gut, aber wir waren ein paar Mal zusammen essen und wollten auch ein Filmprojekt zusammen auf die Beine stellen, woraus dann leider nichts geworden ist. Ich habe zufälligerweise vor ein paar Tagen erst wieder "Rossini" gesehen, der Film ist einfach unglaublich toll."

Weiser Mann mit Weißwurst: Helmut Dietl in der Gaststätte Leopold an der Leopoldstraße in München. Die Aufnahme ist im Sommer 1983 entstanden.

In vierter Ehe war Dietl mit der früheren Moderatorin Tamara Duve verheiratet.

1997 beim Filmball in München: Dietl mit Veronica Ferres.

Da sind sie, die gefälschten Hitler-Tagebücher: Götz George als Skandalreporter Hermann Willié in "Schtonk!".

Eine Szene aus "Kir Royal": Die Schauspieler Corinna Drews, Mario Adorf und Harald Leipnitz (v.l.n.r.) im November 1985.

Helmut Fischer in seiner Paraderolle als "Monaco Franze" in der gleichnamigen Serie von Dietl. Monaco, der Stenz von der Au, beim Flirten.

Wolfgang Fierek, Darsteller in "Monaco Franze": "Ich habe ihn in sehr guter Erinnerung. Er war zwar ein strenger Regisseur, gerade bei "Monaco Franze", da war ich ja noch ein junger Schauspieler. Er hat aber damals schon die Leute gut geführt, mit Witz und Tiefgang. Der Helmut konnte ja auch unglaublich witzig sein. Er meinte zwar mal zu mir: "Ich hätte ja auch gerne so gute Laune wie du." Aber wenn er gut aufgelegt war, hatte er einen herrlichen Humor."

V eronica Ferres, Hauptdarstellerin in "Rossini" und ehemalige Lebensgefährtin von Helmut Dietl: "Helmuts Tod erschüttert mich zutiefst. Meine Gedanken gelten seiner Frau und seinen Kindern, denen ich für die schwere Zeit der Trauer Kraft und liebe Menschen an ihrer Seite wünsche. Er war ein großes Vorbild für mich, vor allem wenn es darum ging, seine Träume zu leben und sich von niemandem darin beirren zu lassen. Dafür und für viele andere Dinge werde ich ihm auf ewig dankbar sein. Helmut wird in unserer Erinnerung, unseren Gedanken und in seinen grandiosen Filmen für immer weiterleben. Ruhe in Frieden, lieber Helmut."

Günter Rohrbach, Kinofilm- und Fernsehproduzent: "Ein Freund ist gestorben. Wieder einer, der soviel jünger ist als man selbst. Wieder einer, bei dem man sich die Frage stellt: Ist das gerecht? Vor ein paar Wochen haben wir noch telefoniert. Oder es versucht. Er konnte kaum reden, wollte zurückrufen. Da ahnte ich schon, dass es zuende gehen könnte. Vor Weihnachten ein letztes Mal im Rossini. Damals ging es ihm richtig gut. So schien es wenigstens. Er hatte Pläne, schrieb an seinem nächsten Film, eine Geschichte mit Josef Hader. Seine Partnerin sollte Katja Riemann sein. Auch mit ihr hatte er schon gesprochen. Machte er sich da was vor? Er wusste doch, dass er für seine Filme mindestens fünf Jahre brauchte. Und er wusste, dass auch ich das wusste. An den Festtagen wollte er nach Elmau. 'Aber nur, wenn es Gänsebraten gibt', habe ich dem Müller gesagt. Jetzt ist er also tot. Der zerrissenste, der heiterste, der griesgrämigste, der glanzvollste Filmautor, den wir hatten. Es ist eine Schande. Es ist ganz und gar unerträglich.

Horst Seehofer, Ministerpräsident: "Helmut Dietl war nicht nur einer der ganz großen deutschen Regisseure und Drehbuchautoren, sondern er war in Bayern eine Institution. Wie kein Zweiter stand er für die Film- und Fernsehlandschaft im Freistaat. Er hat Bayern und München mit seinen Werken tief in die Seele geschaut und damit unvergleichliche Charaktere geschaffen."

Michael "Bully" Herbig, Hauptdarsteller in Dietls letzem Film "Zettl", schreibt auf Facebook: "Lieber Helmut, das Telefon steht nicht mehr still. Ich denke aber gar nicht daran, Dir einen Nachruf zu schreiben . . . lieber schreibe ich Dir persönlich! Ich muss Dir ja wohl nicht sagen, wie unfassbar traurig ich bin. Du warst und bist mein Held. Als ich von Deinem Abschied erfahren habe, weinte auch der Himmel über Schwabing. Es hagelte sogar. Zu Recht, Regen alleine wäre ja auch nicht standesgemäß. Ich vermisse Dich jetzt schon unendlich - den Menschen, den Freund und den genialen Filmemacher Helmut Dietl! Dein Bully."

Ludwig Spaenle, Kunstminister: "Mit Helmut Dietl ist einer der großen Chronisten der Seele Bayerns gestorben. Auf unnachahmliche Weise hat er das Lebensgefühl der Bayern und ganz besonders der Münchner dokumentiert: humor- und liebevoll, skurril und burlesk."

Senta Berger, Darstellerin in "Kir Royal": "Obwohl ich es glauben muss, will ich es nicht glauben. Ich werde mich erst an den Gedanken gewöhnen müssen, dass Helmut Dietl nicht mehr lebt. Wenn man sich überhaupt je an so einen Gedanken gewöhnen kann. Wir alle verlieren einen unersetzbaren Künstler und ich verliere einen Freund. Ein großer Schmerz. In seinen Filmen lebt der Künstler Helmut Dietl weiter und wird immer wieder von jeder Generation neu entdeckt werden. Ist das ein Trost? Ja. Auch wenn mich dieser Gedanke heute nicht tröstet. Wir werden ihn alle vermissen. Er fehlt."

Konstantin Wecker, Komponist der Filmmusik für "Kir Royal": "Für mich war er der Größte. Es ist eine Tragödie, auch, wie am Ende beim "Zettl" mit ihm umgegangen wurde. Das fand ich nicht fair, weil er so ein bedeutender deutscher Regisseur war, was man schon zu seinen Lebzeiten noch deutlicher hätte kenntlich machen müssen. Ich habe persönlich ganz viel von ihm gelernt; wie Filmmusik funktioniert, aber auch über Schauspielerei, da hat die kleine Rolle, die ich bei ihm hatte, schon genügt. Ich habe nie mehr einen Regisseur getroffen, der so konkret wusste, was er will, der eine solche innere Vision von dem hatte, was er machen wollte."

Günther Maria Halmer, Darsteller in den "Münchner Geschichten": "Sein Tod fühlt sich für mich ein bisschen an wie ein eigener Tod. Es ist das Ende einer Ära. Helmut Dietl und ich, wir waren wie Geschwister. Wir kannten uns schon, als wir jung waren und haben den Charlie aus den "Münchner Geschichten" gemeinsam entstehen lassen. Wenn ich ihm von meinen Erfahrungen berichtet habe, habe ich die Geschichten wenig später in den Drehbüchern gefunden. Helmut Dietl war ein scheuer Mensch, aber ein großer Menschenkenner, er war anderen sehr skeptisch gegenüber, aber er hat sie alle durchschaut. Helmut Dietl hat oft das Wesen von Schauspielern erkannt und sie so besetzt, dass sie glänzen konnten. Wir haben bis zuletzt Kontakt gehabt per E-Mail. Ich habe ihm noch den Vorschlag gemacht, dass sich alle die Stars aus seinen Serien noch einmal im Altersheim wiedersehen - für eine Komödie."

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Quelle:
SZ vom 31.03.2015
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