Süddeutsche Zeitung

Gastronomie:Der Tradition am Wörthsee verpflichtet

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Philipp Müller und Corsin Zarn übernehmen die Pension am See. Zu ihrem neuen Reich gehören auch eine Segelschule und ein Bootsverleih. Wer mit der S-Bahn kommt oder mit dem Rad, soll womöglich Vergünstigungen bekommen.

Von Patrizia Steipe, Wörthsee

Der Platz für ihr Büro steht bereits fest: In dem kleinen Häuschen des Bootsverleihs nur wenige Meter vom Wörthsee entfernt mit Panoramablick auf das Wasser mit seinen wechselnden Farben und dem je nach Lichteinfall einzigartigem Karibiktürkis zieht die Verwaltung ein. Doch bis es so weit ist und Philipp Müller mit seinem Geschäftspartner Corsin Zarn dort einen der traumhaften Sonnenuntergänge genießen wird, ist noch viel zu tun.

Im vergangenen Dezember haben die beiden den Zuschlag als neue Pächter für die Pension am See mit ihren neun Zimmern und der Ferienwohnung, dem Seehaus mit seinen zwölf Zimmern, der Segelschule und dem Bootsverleih in Steinebach bekommen, und zwar aus hunderten Bewerbungen, berichtet Müller. Die Pension und der Bootsverleih sind das Lebenswerk von Peter Gastl. Dem 85-Jährigen habe es gefallen, dass Müller, der in Steinebach aufgewachsen ist, nicht nur den Ort kennt, sondern vieles bewahren und fortführen möchte. "Wir werden seine Geschichte weiterleben lassen", verspricht Zarn.

"Unser Businessplan hat überzeugt", sind sich die beiden sicher. Manche Bewerber hatten nämlich ganz andere Ideen für das Grundstück in Toplage am Wörthsee. Ein paar Interessenten hätten das Ganze gerne für sich als privaten Familiensitz genutzt, andere wollten alle Bauten abreißen und dann vergrößern.

Müller und Zarn haben für die neue Herausforderung ihre Festanstellungen aufgegeben. Seither machen sich beide viele Gedanken über Traditionen, Werte, über den Zusammenhalt im Ort, aber ebenso um Verdienstmöglichkeiten und Innovationen. Die Diskussion um den Overtourism, um die verstopften Straßen rund um den Wörthsee an Sommerwochenenden kennen sie aus eigener Erfahrung. "Wir wollen keine Massenabfertigungen", versichern sie. Ihr Motto laute: "Der Vergangenheit verbunden, der Zukunft verpflichtet", sagt Zarn. Es gelte, einen Mittelweg zu finden und die Möglichkeiten auszuloten. So überlegen sie beispielsweise, nachhaltig handelnden Gästen, die mit dem Fahrrad oder mit der S-Bahn anreisen, Vergünstigungen zu bieten. Bei allen Ideen müsse man aber aufpassen, dass man sich nicht verzettelt: "Schritt für Schritt", mahnt Zarn.

Vieles soll bleiben, wie es war. Zum Beispiel der Verleih von Tret- und Ruderbooten, Segelschiffen und SUPs. Die Kunden werden weiterhin ihre Boote auf dem Grundstück lagern können, und natürlich wird Peter Gastl hier wie gewohnt seine Räucherfische verkaufen. Belebt werden soll die Segelschule, die seit Corona geschlossen hatte und aus der sich Peter Hopmann nach 25 Jahren verabschiedet hat. Müller, der Sportmanagement studiert hat, hat selbst in 49er Jollen an Welt- und Europameisterschaften teilgenommen und bereits als Schüler am Wörthsee Segelkurse gegeben und im Bootsverleih mitgeholfen. Der 31-Jährige möchte selbst unterrichten und den sportlichen Charakter des Segelns mehr in den Mittelpunkt stellen.

Die kleine Bootswerkstatt bleibt ebenfalls bestehen. Dort wird der gelernte Metallbauer und studierte Innenarchitekt Zarn werken. Für die etwa 200 Boote auf dem Wörthsee bleibt die Möglichkeit erhalten, zum Ende der Saison mit dem Kran aus dem Wasser gehoben zu werden. "Das sehen wir als unsere Verpflichtung", erklärt Müller. In den nächsten Tagen soll der Steg nach der Winterpause wieder aufgebaut werden.

Wie generell in der Gastronomie werden Mitarbeiter gesucht. Dabei soll die Vernetzung im Ort helfen. "Wir kennen viele Leute, die uns unterstützen", freut sich Müller. Und sie wollen sich der Öffentlichkeit stärker öffnen. So könnte der Schulungsraum in der Pension, der bisher für die Segelkurse genutzt wurde, auch für Veranstaltungen zur Verfügung gestellt werden und auf den Frühstückstisch sollen lokale Produkte serviert werden.

Der Badestrand, der direkt an den vom Augustiner nebenan angrenzt, wird zwar wie bisher den Pensions- und Bootsgästen vorbehalten sein, Müller überlegt jedoch, einen kleinen Kiosk zu eröffnen und den Einheimischen die Möglichkeit zu geben, "diesen magischen Ort" zu genießen.

Die ersten Pensionsgäste kommen im April

Zum 1. April haben sich die ersten Pensionsgäste angemeldet. Noch ist das Gebäude aber eine einzige Baustelle. Im Frühstücksraum ist eine Wand durchgebrochen, um mehr Licht und einen besseren Seeblick zu bekommen. Die alten Teppichböden sind herausgerissen, Parkettboden wird verlegt. Überall stehen mit Malerplanen zugedeckte Möbel, Farbeimer und Leitern. Die jungen Pächter packen selbst mit an, dabei werden sie von Handwerksbetrieben unterstützt, die zum Großteil aus dem Ort oder der Umgebung sind. "Das war uns wichtig", sagt Müller. Vieles soll erst einmal so bleiben, zum Beispiel die Holzbauernschränke, von denen die beiden gleich 35 Stück übernommen haben. Statt Landhausstill soll es aber moderner und minimalistischer werden, erklärt Innenarchitekt Zarn.

Seine Partnerin und der Sohn leben in Zürich. "Ich werde pendeln", erklärt der 35-Jährige. Dabei nimmt er sich vor, möglichst oft die Bahn nach Buchloe zu nehmen und die restlichen etwa 50 Kilometer mit dem Fahrrad zurückzulegen. "Gute Fahrradtaschen habe ich mir schon gekauft", sagt Zarn lachend. Müller ist erst mit seiner Partnerin aus München zurück an den Wörthsee gezogen. "Er wird das operative Geschäft leiten", sagt Zarn. Bis zur Eröffnung werden die beiden wohl noch etliche Nachtschichten einlegen müssen. Bereut haben sie ihren Schritt in die Selbstständigkeit aber nicht: "Wir stehen zu 100 Prozent hinter unserer Entscheidung. Das hier ist unsere Zukunft", betont Zarn.

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