Süddeutsche Zeitung

Nachverdichtung:Weßling hat noch viel Platz

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Die Gemeinde legt ein Kataster für sämtliche Grundstücke im Ort an. Ein Experte empfiehlt, Baulücken in Angriff zu nehmen, statt außerhalb neu zu planen.

Von Patrizia Steipe, Weßling

29,5 Hektar Fläche - das entspricht in etwa der Größe von 41 Fußballfeldern - könnten theoretisch im Innenbereich der Gemeinde Weßling noch bebaut werden. Das ist das Ergebnis des Innen- und Brachflächenkatasters, das das Planungsbüro Dragomir in der jüngsten Gemeinderatssitzung vorgestellt hat. In der Datenbank wurden alle "freien" Grundstücke erfasst und dokumentiert. Für jedes kann eine Art "Steckbrief" mit den Eckdaten ausgedruckt werden. Außerdem können die Daten nicht nur tabellarisch, sondern auch geografisch auf einer Karte betrachtet werden. Insgesamt gibt es innerorts 258 Innen- und Brachflächen, der Großteil befindet sich in privater Hand.

Um keine neuen Flächen zu verbrauchen, sollten die Baulücken und geringfügig bebauten Grundstücke im Innenbereich entwickelt werden, empfahl Martin Birgel, Geschäftsführer des Planungsbüros Dragomir. Der Definition nach seien Grundstücke, die im Innenbereich liegen, nämlich bereits "verbraucht". Falls gebaut wird, würden sie nicht als neuer Flächenverbrauch gewertet. "Dazu zählt nur, wenn im Außenbereich ein neuer Bebauungsplan aufgestellt wird", erklärte Birgel.

Bei einer Fragebogenaktion hatten die Stadt- und Regionalplaner 169 Grundbesitzer angeschrieben und über ihre Entwicklungabsichten befragt. 60 haben geantwortet. Die Fragen hätten allerdings viel Unruhe gestiftet, kritisierte Clemens Pollok (Grüne). Bürger hätten besorgt darüber spekuliert, was die Gemeinde mit diesen Daten vorhabe.

Für Rasso von Rebay (FW) sind freie Flächen in Ordnung: "Wir wollen keine Verdichtung in Weßling", erklärte er. Derzeit würden in Weßling bereits 238 Einwohner pro Kilometer leben. Wenn man dem Siedlungsdruck nachgebe, würden sich "Leute von außen einkaufen und dann den Ort verändern". Bürgermeister Michael Sturm entgegnete: "Wir alle haben in unseren Wahlprogrammen die Schaffung von Wohnraum stehen."

Wie man die Flächendatenbank sinnvoll nutzen könnte, demonstrierten die Stadtplaner an zwei Beispielen. Wenn die neue Schule fertig ist, sollte man den Bereich Oberpfaffenhofen Nord (zwischen Ettenhofener und Gautinger Straße) neu überplanen. Auf der Karte demonstrierten die Planer die Bebauung, die Baulücken, unbebaute Flächen und die gemeindeeigenen Grundstücke. Drei Varianten für eine Bebauung hatten die Planer ausgearbeitet. Bei der einen wurde eine neue Baureihe erschlossen und der Bolzplatz von der Lage gedreht, bei der nächsten Variante wurde das Schulgebäude erweitert und ein Gebäude auf dem Bolzplatz errichtet. Und bei der dritten wurde zusätzlich die Straße erweitert und mit einem Gehweg versehen. "Das sind nur grobe Ideen", versicherte Sturm. Schließlich müssten die Pläne mit den Anliegern abgeklärt werden, "der Gemeinde gehören nicht alle Grundstücke".

Bei dem anderen Beispiel ging es um den Bereich Rosenstraße, Tulpen- und Enzianweg. Vier von 54 Flurstücken gehören der Gemeinde. Insgesamt gibt es 36 unbebaute Grundstücke, das bedeutet "22 300 Quadratmeter unbenutzte Bauflächen mit Baurecht", so Birger. Daran wird sich wohl so schnell nichts ändern, denn im Fragebogen hätten Eigentümer betont, kein Interesse an einer Bebauung zu haben. Und "man kann die Eigentümer nicht zum Bauen zwingen", versicherte Birger.

Seiner Meinung nach sollte die Gemeinde "Eigentümer zum Entwickeln motivieren". Die Gemeinde könnte beispielsweise einen Grundsatzbeschluss für ihre eigenen Grundstücken fassen und darin festschreiben, dass sich künftige Käufer in einem städtebaulichen Vertrag zum Bau verpflichteten. Auch die aus München bekannte sozial orientierte Bodennutzung könnte von der Gemeinde umgesetzt werden.

Einstimmig beschloss der Gemeinderat, dass die Datenbank weiter gepflegt und aktualisiert werden soll und dass die Vorgehensweise und die Ziele für das Flächenmanagement vom Ausschuss für Ortsentwicklung- und Kommunalaufgaben erarbeitet und dem Gemeinderat vorgestellt werden sollen.

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SZ vom 27.07.2020
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