Süddeutsche Zeitung

Konzert im Landkreis Starnberg:Verneigung vor einer Legende

Lesezeit: 3 min

Das Florian Brandl Quartett spielt Louis Armstrong im Weßlinger Pfarrstadel - und beweist einmal mehr, welch magische Anziehungskraft der Großmeister des Jazz bis heute besitzt.

Von Reinhard Palmer, Weßling

Louis Armstrong gehört zweifelsohne zu den Schutzpatronen der Jazzveranstalter, führt sein Name im Programm doch zu deutlich erhöhter Aufmerksamkeit - und damit zu vollen Sälen. Und dass sich dann auch jüngere Generationen im Publikum einfinden, beweist, dass die Legende lebt. Insofern konnte sich der Weßlinger Verein "Unser Dorf" doppelt sicher sein, mit diesem Beitrag den stimmungsvollen Pfarrstadel füllen zu können, denn schon das Florian Brandl Quartett selbst zeigt stets Magnetwirkung.

Schließlich muss aber auch der Trompetenpart Armstrongs in dessen Klasse erstmal würdig gestemmt werden, um der Aufgabe gerecht zu werden, den legendären Großmeister des Jazz musikalisch zu ehren. Und Florian Brandl tat es nicht nur mit Können und Armstrongs großen Hits im Programm, sondern tatsächlich auch mit dessen brillant-virtuosem instrumentalen Text. Ton für Ton mit allen Finessen der emotionalen Klanggestaltung und mit spieltechnischem Witz hatte er die berühmten Soli Armstrongs transkribiert, als ihn ein Veranstalter bat, für 2021 ein Programm zum 120. Geburtstag und 50. Todestag des charismatischen Trompeters zusammenzustellen.

Da Armstrong, wie Brandl berichtete, zugunsten des Wiedererkennungswerts stets vertraglich zur eigenen Texttreue verpflichtet wurde, machte dieses Vorgehen sinnvoll. Aber auch das reichte noch lange nicht aus, gerade den Jazz der frühen Jahre in Erinnerung zu rufen. Dazu gehören auch ein vergleichsweise puristisches und transparentes Zusammenspiel und damit verbunden zudem eine spezifische Klangfärbung. Diese sehr eigene musikalische Handschrift wurde in dem Konzert besonders klar vor Ohren geführt, nachdem die Combo zunächst in eigener Spielmanier einige Titel Brandls interpretierte.

Ausgewählt hat Brandl dafür allerdings passend vor allem die lässig swingenden Stücke wie etwa das klangvariable "Bopposition", das rhythmisierte, mit melodiöser Lyrik durchsetzte "Costa Sarazena" und den synkopierten "Blues for Ellis" im Dan-Ellis-typischen Fünfvierteltakt als Mitklatschnummer. Später sollten noch das in Substanz üppige "Gabriel" (Brandls Sohn gewidmet) und mit dem Flügelhorn das etwas kühlere "Munich Sound 2.0" folgen.

Die Musiker zaubern stilistischen Slang hervor

Da genauso Tizian Jost am Flügel, Ludwig Leininger am Kontrabass und Matthias Gmelin am Schlagzeug international erfahrene Größen des Jazz sind, vermag das Quartett jeden nur erdenklichen stilistischen Slang herzuzaubern. Erst recht eine so kultivierte und ausgeprägte Sprache und Rhetorik, wie sie die Louis Armstrong All Stars, Louis Armstrong and his Hot Five und Hot Seven prägten, wenn auch auf die Quartettbesetzung mit nur einem Bläser reduziert.

Dennoch ging es hier nicht nur ums museale Konservieren. Der eigene Beitrag des Quartetts spielte sich in dem Teil eher im subtilen Bereich ab, etwa im Elan, in der Lockerheit des Swing und in spieltechnischen Details, wie etwa dem perlenden Anschlag Josts in der Rolle des Earl Hines, der übrigens in diesem Jahr 120 geworden, wenn er nicht vor 40 Jahren gestorben wäre. So gewannen legendäre Titel wie der Dixie "Basin Street Blues", der melodiöse "Potato Head Blues" aus Armstrongs Frühzeit oder der marschartig begleitete "Westend Blues" an Lebendigkeit und zeitgemäßer Ansprache. Für "When It's Sleepy Time Down South" wählten die Musiker die Version des Trompeters Wynton Marsalis, was ihnen zwischendurch erlaubte, behutsam mehr Virtuosität in den Soli einzubringen. Aber auch eine Dramaturgie, die letztendlich ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal im Programm war.

Am Ende wartete das Quartett noch mit einem Überraschungsgast auf

Während Brandls Titel stets wirkungsvolle Entwicklungen durchliefen, mit kontrastierenden Wendungen und vor allem Intensivierungen in Fülle und Dichte als Höhepunkt, setzten Armstrongs Titel eher auf kurze Pointen, etwa spannende Breaks oder auf immer wieder geschickt eingeflochtene Fremdzitate. Der Spielwitz hatte einst vor musikalischer Gesamtform Vorrang. Die momentanen Überraschungseffekte lenkten die Aufmerksamkeit auf Details, die das Florian Brandl Quartett mit Präzision auskostete.

Für die Zugaben hielt das perfekt aufeinander eingespielte Ensemble mit dem auf Klangvariationen bedachten Schlagzeug dem schön singendem Bass aber noch eine gelungene Überraschung parat: Der Neuweßlinger Saxophonist und Klarinettist Alexander von Hagke, der sowohl in der Klassik wie im Jazz zu Hause ist, stieß dazu, um ausgesprochen einfühlsam mit der Klarinette in Duke Ellingtons "Limbo Jazz" und Armstrongs "What a Wonderful World" Laune machendes Dixie-Kolorit zu verbreiten.

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