Süddeutsche Zeitung

Gastronomie am Starnberger See:Der Fernsehkoch und seine 800 Promibilder

Lesezeit: 4 min

Könige und Kanzler haben bei Fritz Häring in Tutzing gespeist, zu jeder Berühmtheit weiß er eine Geschichte zu erzählen. Nun räumt er das Midgardhaus nach 32 Jahren aus.

Von Otto Fritscher, Tutzing

Die Frage ist immer die gleiche: "Was geschieht mit all den Fotos?" Fritz Häring, der langjährige Wirt im Tutzinger Midgardhaus, steht entspannt an seinem "Paradeplatz", wie er die Stelle zwischen den beiden Stehtischen gegenüber der Eingangstür nennt. Hier hat er seine Gäste begrüßt - bis vor eine Woche, als er das Lokal zusperrte. Häring lässt den Blick schweifen über all die Fotos, die ihn mit Prominenten aller Genres zeigen. Die Wände sind voll mit den Bildern, auch an den Wänden des Gangs im Keller, der zu den Toiletten führt, ist kein Quadratzentimeter mehr frei. "Da drunten hängen die nicht ganz so bekannten", sagt Häring und lacht.

Rund 800 Fotos, alle feinsäuberlich mit Namen beschriftet, gilt es nun abzunehmen. Häring räumt sein Lokal aus. Also wohin damit? "Dieser Bereich des Lokals wird bei mir zu Hause im Guggerhof eins zu eins nachgebaut und die Bilder genauso wieder aufgehängt", erklärt der Wirt. So eine Art bebildertes Tagebuch einer nicht alltäglichen Wirtskarriere. "Ich weiß zu jedem Foto eine Geschichte", sagt Häring. Besuchern will er dann seine Bildersammlung zeigen, vielleicht gibt es auch mal ein Event dort in der ehemaligen Scheune.

Geboren wurde er in Taufkirchen an der Vils, die Eltern hatten eine Bäckerei, folglich lernte Häring brav Konditor. "Aber das hat mir nicht getaugt", sagt er, "ich wollte Koch lernen." Gert Käfer, den man damals den Münchner Feinkostkönig nannte, hat ihm imponiert. Wie es seine direkte Art ist, marschierte Häring schnurstracks ins Büro von Käfer, der ihn erst mal fragte, "welches Rindvieh" ihn denn überhaupt hereingelassen habe. Häring bekam den Job.

Danach folgten Stationen bei Eckart Witzigmann und Heinz Winkler, damals im Tantris, der Häring haben wollte. "Aber ich bin kein Franzos'", sagt Häring, womit er meint, die französische Nouvelle Cuisine, die damals en vogue war, sei nicht sein Ding. "Ich hab' das alles gelernt, aber meine Soßen waren immer schwer, ich bin kein Kalorienzähler", sagt der 65-Jährige.

Sein erstes eigenes Lokal war 1983 die "Schiffsglocke" in Possenhofen, doch Häring griff sofort zu, als er 1987 das Midgardhaus übernehmen konnte. "32 Jahre bin ich dort gewesen", sagt er, und es klingt so, als ob er sich selbst darüber wundern würde. Ob ihm das Aufhören schwer fällt nachgut drei Jahrzehnten? Nein, sagt Häring, "alles hat seine Zeit." Jetzt also Ruhestand.

Vieles hat Häring erlebt in seiner Kochkarriere. Er war Gast bei Jay Leno, der Talkshow-Legende aus den USA. Der fragte ihn, "warum die Bayern so komische lange Unterhosen anhaben" - gemeint waren natürlich Lederhosen. Vor der Zeit im Midgardhaus arbeitete Häring auf einem russischen Kreuzfahrtschiff. "Das war eine harte Nummer. Die hatten nur so Riesentöpfe, damit konnte man gar nicht richtig kochen", erinnert er sich. Oder die Zeit im Luxushotel in New Orleans. "Ich war der einzige Weiße unter lauter Schwarzen", sagt Häring in seinem niederbairisch gefärbten Dialekt. Er aß damals zunächst alleine an einem Tisch, versuchte aber, durch seine Arbeit zu überzeugen. Nach einiger Zeit redeten die Kollegen nicht nur sich untereinander, sondern auch ihn als "Nigga" an. "Da wusste ich, ich gehöre dazu."

Oder seine Begegnungen mit Maha Vajiralongkorn Bodindradebayavarangkun, dem erst kürzlich gekrönten thailändischen König, der in Tutzing eine Villa hat und öfters mal vorbeischaute. "Auch als König war er schon da", sagt Häring. Und was speist seine Hoheit? "Steckerlfisch, dazu ein Helles", erzählt Häring. Er hat die bayerischen Spitzenpolitiker kommen und gehen sehen, von Franz Josef Strauß bis Markus Söder, auch die Kanzler und Präsidenten wie Frank-Walter Steinmeier waren da. Wie kamen all die illustren Gäste überhaupt auf das Midgardhaus? "Empfehlungen", sagt Häring, besonders von den Münchner Nobelhotels, die ihren Gäste eine Landpartie an den Starnberger See ans Herz legten. Manche sagten kurzfristig ab wie Brad Pitt, dafür kam dessen Bruder, andere wie Gerard Depardieu blieben gleich ein paar Tage. Netzwerken würde man das heute nennen.

Sein Lokal "Häring im Midgardhaus" erhielt eine Rezension in der Washington Post und eine Empfehlung in der Vogue, aber abgehoben ist Häring nie, auch wenn er in der bunten Presse immer als "Promi-Wirt" bezeichnet wurde. "Ich behandele jeden gleich", sagt er. Und doch, jeder Wirt hat seine Lieblingsgäste. Da muss Häring nicht lange nachdenken: Erika Volkhardt und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die ehemalige Chefin des Bayerischen Hofs in München und die FDP-Politikerin und Ex-Bundesjustizministerin, die im Nachbarort Feldafing wohnt. "Beide sind total liebenswürdige Damen", sagt Häring.

Bekannt geworden ist er aber auch über das Fernsehen. Das Bayerische Fernsehen, aber auch Arte, haben seine Reportagen gesendet, in denen er andere Kulturen erkundet, die in Bayern leben. Und dazu seine Städtereportagen über Jerusalem, Tel Aviv und andere. "Ich will kein Fernsehkoch sein, der nur im Topf rumrührt", sagt er. Er sieht sich eher als eine Art Reisereporter, als ein Bayer, der neugierig die Welt erkundet und sie verstehen will.

Ganz von der Bildfläche verschwinden wird Fritz Häring indes wohl nicht. Sein designierter Nachfolger als Wirt, Alexander Urban, der lange Zeit die Andechser Klostergaststätte geführt hat, hat ihn gefragt, ob er nicht vorbeischauen möchte, wenn spezielle Gäste kommen oder ein besonderes Event gefeiert wird. Dann wird er vermutlich auch noch mal in das weiße T-Shirt schlüpfen und zum Kochlöffel greifen. "Jetzt hab' ich endlich mehr Zeit", sagt Häring und grinst. Zeit, mal was spontan zu machen. Also mit dem Ruderboot, das er vor Jahren von einem Fischer gekauft hat, endlich auf den See rauszufahren, oder mit seiner Harley Davidson eine Runde zu drehen. Oder mit seiner Frau Marlis, mit der er seit mehr als 37 Jahren verheiratet ist, einfach eine Tour durch Deutschland zu machen. "Ich hab' in meinem Leben einfach Glück gehabt", sagt Häring. Man darf wohl sagen: das Glück des Tüchtigen.

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Quelle:
SZ vom 19.10.2019
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