Süddeutsche Zeitung

Alte Musik, neuer Sound:Aufstand der Unruhestifter

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Die Münchener Band "Troublemaker's Riot" setzte lange Zeit auf Rock 'n' Roll-Musik der Fünfziger- und Sechzigerjahre. Zum zehnjährigen Bestehen präsentiert sie auf ihrem ersten Album nun eigenen Sound: Von großstädtischer Kneipenstimmung, Heimatliebe und der Entwicklung musikalischer Identität.

Von Tim Graser, Tutzing

Cowboystiefel, Bluejeans und zwei Pfund Pomade in der Frisur: In den Fünfzigerjahren waren das die Symbole des Rock 'n' Roll, einer Musikrichtung und Jugendprotestkultur, die die biederen Gesellschaftskonventionen des 20. Jahrhunderts abstreifte. Amerikanische GIs nahmen Chuck Berry, Little Richard und Jerry Lee Lewis mit in die deutsche Besatzungszone, Elvis Presley und der Kalte Krieg brachten den Rock 'n' Roll nach Europa.

Das ist nun gut 70 Jahre her, doch wie sieht der Rock 'n' Roll heute aus? Er trägt Sneaker Schuhe, ein grünes Holzfällerhemd, darüber eine beige Carhartt-Weste, auf dem Kopf eine schwarze bis über die Ohren gekrempelte Strickmütze, und er fährt Motorrad: ein Millennial wie aus dem Bilderbuch. Zumindest begegnet einem der Rock 'n' Roll so in Gestalt von David "Dave" Glöckler, dem langjährigen Schlagzeuger der Band "Troublemaker's Riot".

"Aufstand der Unruhestifter", so die deutsche Übersetzung des Bandnamens, ist eine sechsköpfige Münchner Rock 'n' Roll-Truppe, die ihrem Namen eigentlich nicht mehr ganz gerecht wird: Drummer David ist Architekt, Sängerin Sophia Forstner eigentlich auch, eröffnet aber gerade ein kleines Cafe', und Gitarrist Emanuel Windele, seit kurzem Vater, "macht irgendwas bei Sky", sagt David Glöckler, "Projektmanagement, glaube ich". Also eher wenig Aufstand. Unruhe stiften können die jungen Rocker dafür allerdings umso besser: "Die machen immer gute Stimmung. Da kann man eigentlich nicht sitzen bleiben, wenn die spielen", sagt Luna Hoeckenreiner von der Kultkneipe "Tutzinger Keller" über die Band, die dort schon öfter auftrat, zuletzt im Februar.

Nicht nur optische Klischees wie Bluejeans, Lederjacke oder Cowboyhut haben die jungen Rocker aus München überwunden, auch musikalisch ist man moderner: Über die Ursprünge der Fünfziger- und Sechzigerjahre ist die Band nämlich schon seit einigen Jahren hinaus gewachsen. "Wir haben angefangen mit klassischem Rock 'n' Roll, einfach, um auch ein bisschen das Vokabular drauf zu haben", sagt Gitarrist und Lead-Sänger Josef "Jo" Hudler über die Anfangszeiten der Band, in der überwiegend Klassiker des Genres gecovert wurden.

Chuck Berry oder Jerry Lee Lewis, aber auch Bluesnummern von Muddy Waters wurden oft gespielt. Gerade auf Hochzeiten seien bekannte Lieder oft die dankbarsten, meint Sängerin Sophia. "Da sind wir dann aber immer weiter von weggekommen", sagt Lead-Sänger Josef. Es wurde rockiger, irgendwann kamen Blues-Elemente. Nun, einige Jahre und EPs später, hält Hudler die erste eigene Vinylplatte in der Hand: "Für unser erstes Album ist Folk dazugekommen", sagt der 34-Jährige stolz. Er ist gewissermaßen der Kopf der Truppe, komponiert die Musik und schreibt die Texte. Mit den Jahren und den musikalischen Veränderungen ist mit ihm auch eine eigene musikalische Identität der Rockertruppe gewachsen - das neue Album verdeutliche das.

Hudlers musikalische Wurzeln liegen nicht in den Fünfziger-, sondern in den Nullerjahren dieses Jahrhunderts. Begonnen hatte alles vor 17 Jahren auf dem Weilheimer Gymnasium. Zusammen mit dem Bandgitarristen Emanuel Windele machte Hudler, der seine Heimat in Dießen am Ammersee hat, schon damals Musik: "Wir hatten in der Schule eine Reggae- und Ska-Band", sagt der Lead-Sänger. Damals trug er noch hüftlange Dreadlocks. "Wenn ich die abschneide, dann mach ich Rock 'n' Roll", verkündete er und untermauerte seinen damaligen Entschluss zur musikalischen und optischen Neuausrichtung. Gesagt, getan: Die Haare kamen ab, die Musik wurde rockig. Auch Drummer David und sein Cousin Benjamin "Benni" Seifert, der bei den Troublemakern am Klavier sitzt, kamen während dieser Zeit dazu.

"Im Tutzinger Keller ist's immer eine Fetzngaudi"

Seit mehr als zehn Jahren sind die sechs Rocker nun mit ihrer Band im kleinen roten Feuerwehr-Tourbus unterwegs. Sie spielten schon auf dem Odeonsplatz zur Hundert-Jahre-Freistaat-Party, bei verschiedenen Festivals und als Vorband zu "Django 3000". Hinzu kommen etliche Hochzeiten und Firmenfeiern. An die 500 Auftritte waren es wohl insgesamt.

Am liebsten spielen die Troublemaker jedoch immer noch in der Heimat: "Im Tutzinger Keller ist's immer eine Fetzngaudi", sagt der Schlagzeuger. Bei solch "kleineren Spots" könne man auf Augenhöhe mit dem Publikum spielen, anstatt von einer Bühne herab. Lead-Sänger Josef Hudler gefallen solche Gigs am besten: "Ich mag es tummelig." Auch Sängerin Sophia sind Kneipen-Auftritte am liebsten. Deswegen freuen sich auch alle auf das Release-Konzert des neuen Albums am 22. April in der "Goldenen Rakete", eine Gaststätte beim Rotkreuzplatz in München-Neuhausen. Die kleine Burger-Bar sei genau nach dem Geschmack der Rockertruppe. "Wir stopfen den Laden voll", sagt Sängerin Sophia grinsend.

Heute zählt Troublemaker's Riot sechs Mitglieder, alle in ihren Dreißigern: Zu Leadsänger Josef, Drummer David, Gitarrist Emanuel und Pianist Benni gesellten sich noch Sängerin Sophia und der (Kontra-)Bassist Pavel Semenchuck. Mit Ausnahme des Bassisten, einem originalen Münchner, stammen alle aus dem Umland - Dießen und Fischen am Ammersee, Raisting, Weilheim, Dachau - leben aber alle in der Landeshauptstadt.

Die ländliche Heimat bleibt dennoch Quelle der Inspiration. Das neue Album trägt den Namen "Between here and home". Den gleichnamigen Song hat Hudler für einen guten Freund, der seit vielen Jahren in Boston wohnt, geschrieben. "Der wohnt seit 22 Jahren da, aber sein Herz ist immer noch am Ammersee." Ein anderes Lied heißt "Ferryman" und geht auf den jährliche Traditionsausflug von Leadsänger Josef mit Kumpel Temren Demirbolat zurück, der für die Band am Mischpult sitzt. Mit dem Dampfer (Stichwort: Ferryman) geht es einmal im Jahr von Dießen nach Herrsching und dann zu Fuß auf den Heiligen Berg nach Andechs, wo man dann im Klosterbräustüberl "den ganzen Tag verhockt". Der Blick auf die Berge vom Raddampfer aus habe ihn auf die Idee für das Lied gebracht, erklärt Hudler.

Wo immer einen das Leben also hin verschlägt: Heimat bleibt Heimat, lautet die Botschaft der Truppe - und auch des neuen Albums. Rock 'n' Roll bedeutet heutzutage also nicht mehr nur Amerika und Cowboyhut, sondern auch Ammersee und Strickmütze. So ganz ohne Amerika geht's dann aber auch nicht: Auf sein "Baby", eine rote Cadillac-Limousine, Baujahr 1968, ist Hudler besonders stolz. Dem Auto hat er sogar einen Song gewidmet: "My Baby 68". Und auch, wenn die Band mittlerweile im großen München wohnt und man sich primär als Münchener Band versteht, denkt Hudler, wenn er versonnen von Andechs her auf die Berge schaut: "Da bin ich halt daheim. Da bin ich gern."

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