Süddeutsche Zeitung

Starnberg:Tunnel oder Umfahrung

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Von Peter Haacke, Starnberg

Gibt es aus Sicht des Freistaates und des Bundes eine realistische Alternative zum Starnberger B2-Tunnel? Das ist die zentrale Fragestellung, die Starnberg schon seit Jahren beschäftigt. Das Thema hat über mehrere Wahlkämpfe tiefe Gräben in Bürgerschaft und kommunaler Parteienlandschaft hinterlassen. Längst schon hätte Eva John die wichtigsten Aspekte zum Themenkomplex "Tunnel oder Umfahrung" klären sollen, doch Starnbergs Bürgermeisterin hat diesen Auftrag des Stadtrats seit Juli 2014 nicht erfüllt. Erkenntnisgewinn über Möglichkeiten und Grenzen einer Verkehrsentlastung für die Kreisstadt verheißt nun aber am Donnerstag ein Gespräch im bayerischen Innenministerium. Teilnehmer sind - neben Fachleuten aus den jeweils zuständigen Behörden und der Bürgermeisterin - Delegierte aller neun im Starnberger Stadtrat vertretenen Fraktionen.

Die Erwartungen an den ungewöhnlichen Termin im Innenministerium sind hoch gesteckt. Gleichwohl herrscht auch eine gewisse Skepsis darüber, ob sich aus dem Gespräch konkrete Ergebnisse für die künftige Verkehrspolitik Starnbergs zur vermeintlichen Lösung der komplexen Verkehrsproblematik in der Kreisstadt ableiten lassen. Auf der einen Seite sind jene Gruppierungen, die stets auf den B2-Tunnel als einzig mögliche Entlastungsmöglichkeit vom innerstädtischen Verkehr setzten. Auf der anderen Seite hat sich in den vergangenen zehn Jahren eine zunehmend massiver agierende Gruppierung etabliert, die eine Umfahrung der Kreisstadt als Alternative propagiert.

Zwar gehen innerhalb dieser Allianz die Vorstellungen darüber, welche Umfahrungslösung man denn nun haben möchte, weit auseinander. Doch überwiegend einig scheint man sich in der Ablehnung des Tunnels zu sein, dessen Pläne bereits fertig in der Schublade des Staatlichen Bauamts liegen. Dabei würden die knapp 160 Millionen Euro Baukosten vom Bund übernommen: Noch im Frühjahr 2016 teilte Staatssekretärin Dorothee Bär (Bundesverkehrsministerium) mit, die Mittel stünden bereit und könnten abgerufen werden.

Doch der Stadtrat lehnte mit knapper Mehrheit der Allianz ab. Im Sommer bestätigte Bär den grundsätzlichen Bedarf des Tunnels und ließ wissen: "Hätte man sich vor Ort auf die Realisierung der Tunneltrasse einvernehmlich verständigen können, hätte angesichts des unanfechtbaren Planfeststellungsbeschlusses einer Finanzierung derzeit nichts entgegengestanden". Ungeklärt blieb aber die Frage, welche Umfahrungsvariante die Allianz aus WPS, BMS, BLS und FDP denn überhaupt realisieren will. Allem Wahlkampfgetöse der Vorjahre zum Trotz gibt es dazu bis heute keine eindeutige Antwort: Die WPS möchte eine ortsnahe Umfahrung, die aber nicht ohne Tunnel auskommt, die BLS hält an einer ortsfernen Trasse mit Brücke fest; FDP und BMS halten sich bedeckt.

Bürgermeisterin Eva John war bereits im Sommer 2014 erstmals vom Stadtrat beauftragt worden, endlich Klärung in der Angelegenheit herbeizuführen. Sie sollte auf Grundlage bisher ausgearbeiteter Planungen und Vorschläge mit den zuständigen staatlichen Behörden - Staatliches Bauamt, Regierung von Oberbayern und Innenministerium - darüber sprechen, ob und in welchem Zeitraum Starnberg vom Durchgangsverkehr durch Alternativen zum B2-Tunnel entlastet werden kann. Doch diesem Auftrag kam John niemals nach. Sie brachte stattdessen einen "Verkehrsentwicklungsplan" (VEP) auf den Weg, der mittlerweile jedoch in weiten Teilen obsolet sein dürfte: Sämtliche Verkehrsexperimente in der Stadt trafen auf geballten Widerstand. Und ein - bislang noch immer nicht im Stadtrat behandelter - Antrag aus der Bürgerversammlung im November fordert gar, den VEP solange auszusetzen, bis Klarheit herrscht über Tunnel oder Umfahrung.

Ein Sechs-Parteien-Bündnis aus CSU, UWG, SPD, Grünen, BLS und Parteifreien beharrte jedoch auf Klärung der Verkehrsproblematik. Im Oktober beschloss der Stadtrat erneut, dass die Bürgermeisterin Gespräche führen soll - nun allerdings unter Beisein der neun Fraktionsvertreter. Im Mittelpunkt des Gesprächs, das am Donnerstag in München stattfinden wird, stehen insbesondere rechtliche und finanzielle Aspekte. Geklärt werden soll unter anderem, welche Behörden für Genehmigung, Planung und Bau von Alternativen zuständig sind, welche Verfahrensschritte erforderlich sind, wie lange Planung und Bau einer Umfahrung dauern würden und wer das Ganze zahlen soll. Letztlich steht die Frage im Raum, ob eine Umfahrung überhaupt den gewünschten Effekt - also eine Entlastung vom Durchgangsverkehr - haben wird und ob eine ortsferne Trasse in den Überlegungen der bayerischen Staatsregierung möglicherweise Relevanz für die Autobahnen A95 und A96 hat.

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Quelle:
SZ vom 18.01.2017
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