Süddeutsche Zeitung

Randale von Starnberg:Eskalation einer Partynacht

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50 Jugendliche sollen sich im Sommer 2019 zusammengerottet haben, um einen damals 15-Jährigen aus einer Polizeiwache zu befreien. Vor Gericht räumen drei von fünf Angeklagten einen Teil der Vorwürfe ein.

Von Christian Deussing und David Costanzo, Starnberg

Nun sitzen sie also vor dem Richter, fünf schmale Jugendliche, vier Burschen - Strubbelkopf und Bürstenschnitt, weißes Hemd und Shirt -, ein Mädchen mit Pferdeschwanz, alle heute 16 bis 20 Jahre alt. Eine halbe Stunde benötigt die Staatsanwältin, um die Anklage vorzulesen. Die fünf Jugendlichen sollen am 25. Juli vergangenen Jahres mitgemischt haben in der Nacht, die als die "Randale von Starnberg" in ganz Deutschland Schlagzeilen machte. Vor dem Gymnasium war eine Party eskaliert. 50 Jugendliche sollen sich zusammengerottet haben, um einen damals 15-Jährigen aus der benachbarten Polizeiwache zu befreien.

Angriffe gegen Vollstreckungsbeamte, Widerstand, Körperverletzung, Landfriedensbruch, versuchte Gefangenenbefreiung, Sachbeschädigung und Beleidigung: Wegen dieser Punkte müssen sich die fünf Angeklagten, von denen keiner das Gymnasium besucht, vor dem Jugendschöffengericht in Starnberg verantworten. Drei von ihnen haben beim Prozessauftakt am Donnerstag Vorwürfe teilweise eingeräumt.

Die Tumulte brachen aus, nachdem der damals 15-jährige Angeklagte Ärger gemacht haben soll - vor Gericht nennt er das eine "kleine Provokation" an die Adresse der Security, die das Gymnasium für das im Schulhof laufende Sommerfest engagiert hat. Der Jugendliche soll angetrunken gewesen sein und nach Drogen gefragt haben. Die Aufpasser rufen die Polizei, der Angeklagte soll mehrere Platzverweise ignoriert haben, die Beamte nehmen ihn fest und bringen ihn zu Boden. Das sei mit "unverhältnismäßiger Gewalt passiert", behauptet der Angeklagte. "Ich habe mich in diesem Moment instinktiv gewehrt." Zudem sei er in der Wache auf den Boden geschleudert worden und habe einen Tritt oder Faustschlag am Hinterkopf abbekommen. Er bestreitet, selbst einen Polizisten gestoßen oder getreten haben.

Ein ebenfalls angeklagter Freund aus Herrsching soll versucht haben, einen Polizisten gegen den Kopf zu treten, als dieser den 15-Jährigen am Boden fesselte. Die Beamten hätten "viel zu hart eingegriffen" und seinen Kumpel "ohne Rücksicht auf Verluste zur Wache geschleift".

Im Gericht werden verwackelte Handyvideos gezeigt, die Jugendliche gedreht haben. Diese rücken den Fall in einen Zusammenhang mit Vorwürfen von Polizeigewalt und Rassismus: Die Menge ist aufgebracht über die Festnahme des einzigen schwarzen Jugendlichen. "Nur weil er schwarz ist. Er hat gar nichts gemacht, lasst ihn da", schreien Jugendliche auf den Aufnahmen und beleidigen die Beamten wüst. Am ersten Prozesstag thematisiert das Gericht diesen Aspekt nicht.

Die zwei Security-Mitarbeiter erklären dagegen, dass sich die Polizisten angemessen verhalten hätten. Man habe diese sogar beschützen müssen. Auf dem Weg zur Wache hätten sie in der Menschenmenge den Beamten Rückendeckung gegeben.

Die Polizisten berichten von einer "extremen Stresssituation". Der Beamte in der Inspektion, der das Geschehen über Monitore verfolgte, habe sich zunächst nicht getraut, die Tür zu öffnen. Es sei versucht worden, diese einzutreten. Jugendliche hätten mit einer Räuberleiter die vier Meter hohe Mauer zur Inspektion überwinden wollen. Auf die Frage des Richters, ob er auch einen Schlag gegen einen der Angeklagten ausgeteilt habe, sagt der Beamte, das sei ein Stoß mit der flachen Hand gewesen, weil ihm der Jugendliche zu nahe gekommen sei, kein Faustschlag.

Zwei Angeklagte äußern sich überhaupt nicht. Die 16-Jährige sagt, sie sei sehr betrunken gewesen und könne sich nicht erklären, warum sie mitgemischt habe. Sie habe sich bereits bei drei Polizisten schriftlich entschuldigt. Ihr Verhalten sei ein "unglaublich großer Fehler" gewesen. Der Freund des 15-Jährigen räumt ein, mit einer Bierflasche eine Scheibe eingeworfen zu haben. Den vermeintlichen Tritt gegen einen Polizisten habe er allerdings nur angetäuscht.

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SZ vom 18.09.2020
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