Süddeutsche Zeitung

Prozess:24-jähriger Segler wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt

Lesezeit: 3 min

Der junge Mann hat sich an vier minderjährigen Mädchen vergangen. Er kommt mit einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten davon.

Von Christian Deussing und Linus Freymark, Starnberg

Es war kurz nach 17 Uhr am Donnerstag, als das Urteil fiel. Eines der vier Opfer, eine heute 16-Jährige, an der sich der Angeklagte im Sommer 2020 vergangen haben soll, ist als eine der Nebenklägerinnen zur Urteilsverkündung vor Gericht erschienen, kurz davor weinte sie. Der Prozess war für sie und die anderen drei eine große Belastung. Nun, nach zwei Tagen, endete die nichtöffentliche Verhandlung. Das Ergebnis: Eine Jugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung für den 24-jährigen, ehemaligen Segler des Bayerischen-Yacht-Clubs (BYC), weil er vier minderjährige Mädchen sexuell missbraucht hat.

Neben der Bewährungsstrafe bekommt er noch vier Wochen Dauerarrest

Zudem verurteilte ihn das Starnberger Jugendschöffengericht wegen sexueller Übergriffe sowie Nötigung zu vier Wochen Dauerarrest und zur Zahlung von jeweils 8000 Euro Schmerzensgeld an zwei seiner Opfer. Auch eine Therapie für Sexualstraftäter muss der 24-jährige Jurastudent absolvieren. Richter Ralf Jehle begründete seine Entscheidungen auch mit dem Alter des jungen Mannes: Zum Zeitpunkt der ersten beiden Taten sei auch er Heranwachsender gewesen, weshalb das Jugendstrafrecht zur Anwendung gekommen sei.

Der Angeklagte habe seine Taten geplant - vor allem die Übergriffe auf zwei Mädchen in einem Haus in Starnberg im Sommer 2020: Hierbei bedrängte der junge Mann eine 14- und eine 15-Jährige im Schlaf sexuell. "Es war keine spontane Tat", betonte Richter Jehle. Der Angeklagte habe mit seinem Handeln "gravierende Folgen" ausgelöst und ein "psychisches Trümmerfeld" hinterlassen. Dies zeige sich etwa bei der damals 14-Jährigen: Die Jugendliche habe massive Probleme, es sei fraglich, ob sie jemals eine Beziehung eingehen könne. Das mache "fassungslos", so Jehle. Alle Opfer hätten dem 24-Jährigen "blind vertraut", er habe auch seine Position als erfolgreicher Segler im BYC ausgenutzt. Einige der Opfer waren damals ebenfalls im Verein aktiv.

Es sei eine knappe Entscheidung gewesen, dem jungen Mann keine Gefängnisstrafe zu erteilen, erklärte der Richter. Erst spät hatte sich der Angeklagte bei seinen Opfern entschuldigt und seine Taten eingeräumt. Die Mädchen hätten deutlich signalisiert, dass sie nicht an sexuellen Handlungen mit dem 24-Jährigen interessiert seien, betonte Jehle.

Es war den Opfern schwergefallen, die Entschuldigungen als aufrichtig zu akzeptieren. Auch das Gericht habe sich gefragt, wie viel Empathie darin enthalten sei, sagte Jehle. Zur Persönlichkeit des Angeklagten befand das Gericht, der junge Mann habe Schwierigkeiten, Zugang zu seinen Gefühlen zu finden. Er habe unter familiärem Leistungsdruck gelitten. Positiv sei ihm jedoch anzurechnen, dass er sich bereits vor dem Prozess in eine psychotherapeutische Behandlung begeben habe.

Die Staatsanwaltschaft soll zwei Jahre Jugendstrafe auf Bewährung und einen vierwöchigen Dauerarrest gefordert haben. Die Vertretung der Nebenklage verlangte eine Haftstrafe ohne Bewährung. Der Opferanwalt hatte beantragt, weitere Zeugen vernehmen zu lassen. Das wurde aber abgelehnt. Dennoch sei das Urteil gut begründet gewesen und "mehr als ein Denkzettel", befand er. Die beiden Verteidiger des Angeklagten sprachen von einem fairen Verfahren. Ob sie das Urteil dennoch akzeptieren, steht noch nicht fest.

Der Angeklagte galt als freundlicher Beschützer

Angehörige der minderjährigen Opfer beschreiben den Angeklagten als freundlich und höflich. Er habe den heute 24-Jährigen eher als Beschützer, denn als Gefahr für seine zum Tatzeitpunkt 14-jährige Tochter wahrgenommen, berichtete der Vater des Opfers. Der Angeklagte sei öfter bei der Familie zuhause gewesen, habe einen netten Umgangston gepflegt, aber auch ein wenig verklemmt gewirkt.

Auch die ältere Schwester der damals 14-Jährigen sagte vor Gericht aus. Die heute 21-jährige Studentin war 2018 bei einem Segelcamp in Spanien dabei. Dort soll der Angeklagte ihre damals 16-jährige Segelfreundin in einem Hotelzimmer vergewaltigt haben. Von diesem Vorwurf sprach das Gericht den Angeklagten aber frei. Die Tat sei ihm nicht zweifelsfrei nachzuweisen, so die Begründung. Dem Vernehmen nach haben sich der Angeklagte und dieses Opfer auf einen Täter-Opfer-Ausgleich in Höhe von 8000 Euro verständigt.

Das positive Bild vom Angeklagten bestätigte auch die Mutter des damals 15-jährigen Opfers. Sie sei entsetzt gewesen, als sie von den Vorwürfen erfahren habe, erzählte die Starnbergerin. Ihr Sohn, der Bruder der 15-Jährigen, sei ein Segelkamerad des Angeklagten gewesen. Am schlimmsten sei für sie, wie der junge Mann das Vertrauen von Mädchen und Eltern ausgenutzt habe, sagte sie nach dem Urteil. Auch in ihrem Starnberger Haus war der Angeklagte öfter zu Besuch. Als er dort im Sommer 2020 nach einer Mittwochsregatta übernachtete, kam es zu den Übergriffen auf die 14- und 15-jährigen Mädchen. Kurz darauf offenbarte sich die 14-Jährige ihrem Vater, der Strafanzeige erstattete. Nach SZ-Informationen soll es noch eine Anzeige einer jungen Seglerin geben. Es wird also weiter ermittelt.

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