Süddeutsche Zeitung

Bahnstreik:Es fährt kein Zug nach Nirgendwo

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Trotz der Ankündigung werden im Fünfseenland etliche Fahrgäste der S-Bahnen am Freitagvormittag von der Arbeitsniederlegung im Nahverkehr überrascht.

Von Christian Deussing, Starnberg

Einsam sitzt die Studentin Ana Paula Medina um 8.40 Uhr auf dem Planegger S-Bahnhof und wartet auf den Zug. Die 19-Jährige muss nach Allach zu ihrem Sprachkurs, dort wird sie aber viel zu spät ankommen. Der Streik der Eisenbahner am Freitag hat sie überrascht. Jetzt versucht die junge Frau aus Mexiko über die App auf ihrem Handy einen Bus ausfindig zu machen. Aber nicht nur die Studentin muss in der Region spontan umplanen - wie zum Beispiel eine Frau, die gerade erst diesen Bahnhof erreicht hat und irrtümlich denkt, der Streik würde erst um 11 Uhr beginnen. Doch der soll - wie von der Gewerkschaft EVG angekündigt -nur bis 11 Uhr andauern.

Frustriert ist auch ein Fahrgast in Gauting, der mit der S-Bahn zu einem Arzttermin nach München muss und dann ungläubig auf die Infoanzeige der Bahn schaut, dass der "Nahverkehr weitestgehend ausfällt". Der 63-Jährige macht auf dem Treppenabsatz kehrt und spurtet zu seinem Auto. "Eigentlich wollte ich wegen des wahrscheinlich sehr dichten Verkehrs den Wagen am Bahnhof stehen lassen", sagt der Mann. Am Gautinger Bahnhof schlendert derweil ein 22-jähriger Elektroniker vorbei und ist völlig entspannt. Er habe vom Streik im Bahnverkehr gewusst, denn das sei ja angekündigt gewesen, sagt der junge Mann. "Deshalb habe ich mir freigenommen und mache jetzt eine Fahrstunde."

Geisterhaft leer ist der Bahnhof Starnberg Nord. Und im Bäckerei-Shop im Erdgeschoss sind seit dem frühen Morgen nur wenige Kunden gewesen. Eine Frau will mit der Bahn nach Stockdorf zur Arbeit. Nun sucht sie nach einem Bus, hat aber für diese Strecke schlechte Karten - und ein Taxi ist ihr zu teuer.

Apropos Taxi: Einige Fahrer stehen vor dem Starnberger Bahnhof See, profitieren jedoch offenbar kaum davon, dass die Züge seit 3 Uhr nachts nicht fahren. Viele Pendler seien deswegen sicher daheim geblieben und im Home-Office, vermuten Sebastian Dobroschke und sein Kollege Georg Eibl. Unterdessen wartet eine 72-jährige Seniorin vergebens auf die Regionalbahn um 10.40 Uhr in Richtung München. Erst jetzt erfährt sie, dass dieser Zug eine ganze Stunde später kommen soll. Dass die Eisenbahner zwölf Prozent mehr Lohn fordern, findet die Rentnerin übertrieben - und ärgert sich auch über den neuen Streik.

Auf dem Bahnsteig haben sich derweil eine Berlinerin und ein Geschäftsmann aus Leverkusen eingefunden. Sie wollen sich jetzt - getrennt voneinander - die Zeit mit einem Spaziergang auf der Seepromenade vertreiben, bis der Regionalzug nach München eintrifft. Allmählich tauchen mehr Leute im Bahnhof auf und hoffen, dass sich der Zugverkehr bald normalisiert. Allerdings fallen auch nach 11 Uhr noch immer S-Bahnen aus oder verspäten sich - was viele Fahrgäste nervt.

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