Süddeutsche Zeitung

Stadt Starnberg:"Wir bekommen einen der schönsten Bahnhöfe Europas"

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Monatelang haben Vertreter der Stadt und der Bahn über einen Vertrag aus dem Jahr 1987 verhandelt, um eine Klage über 170 Millionen Euro zu vermeiden. Jetzt hat die Stadt ein Jahr Zeit, um die Voraussetzungen für das Jahrhundertprojekt zu schaffen.

Von Peter Haacke, Starnberg

Es war ein jahrelanges, hartes Ringen zwischen den Vertragspartnern. Doch nun scheint eine Lösung gefunden zu sein: Nach mehr als 35 Jahren haben die Stadt Starnberg und die Deutsche Bahn AG (DB) eine Möglichkeit gefunden, einen 1987 geschlossenen Vertrag unter neuen Vorzeichen zu erfüllen. Die Schadenersatzklage des Staatskonzerns über 170 Millionen Euro ist damit vorerst vom Tisch. Starnbergs Bürgermeister Patrick Janik (CSU, UWG, SPD, BLS), Stadtbaumeister Stephan Weinl und Vertreter der DB präsentierten am Freitag die Ergebnisse der Verhandlungen und gaben einen vagen Ausblick in den weiteren Ablauf des Verfahrens. Die Stadt hat nun ein Jahr lang Zeit, um die Weichen für das geschätzt 177 Millionen Euro teure Projekt "Seeanbindung" zu stellen. Entscheidend wird dabei sein, ob die Finanzierungslücke in Höhe von 80 bis 90 Millionen Euro durch Fördergeld von Bund und Land geschlossen werden kann.

"Die Einigung mit der DB ist ein großer Erfolg für ganz Starnberg", erklärte Janik. Der Stadtrat hatte den Vertragsentwurf Mitte Dezember bei nur einer Gegenstimme gebilligt, nun folgte die Zustimmung des DB-Vorstands zur Neugestaltung der Starnberger Bahnanlagen. "Wir sind froh über das gemeinsam erzielte Ergebnis für eine zukunftsfähige Bahninfrastruktur einerseits und gute Perspektiven für die städtebauliche Entwicklung in Starnberg andererseits", ließ Klaus-Dieter Josel, DB-Konzernbevollmächtigter für Bayern, wissen. "Wir haben mit der vertraglichen Einigung einen Weg gefunden, die Belange der Stadt und der DB in Einklang zu bringen." Jetzt gelte es, gemeinsam in die Umsetzung zu gehen.

Aus technischer Sicht wurde eine Gesamtlösung gefunden, die auch Kritikern des Vorhabens befriedigend erscheint. Die wichtigsten Eckpunkte: Die bislang vier Gleise am Bahnhof See werden auf drei reduziert, die beiden äußeren Gleise sollen über Außenbahnsteige erreichbar sein. Zudem verzichtet die DB auf eine Durchfahrtgeschwindigkeit von 80 Stundenkilometern, Tempo 60 reicht. Der Regionalzughalt wird vom Bahnhof See an den Bahnhof Nord verlegt. Dazu müssen die Bahnsteige in nördliche Richtung verlängert werden wegen unterschiedlicher Bahnsteighöhen für S-Bahnen (96 Zentimeter) und Regionalzüge (76).

Auch der nachträgliche Bau einer Unterführung soll planerisch berücksichtigt werden. Das von der Bahn benötigte Wende- und Abstellgleis soll im Starnberger Süden - konkret im Bereich Oberer Seeweg, Oberfeld und Oskar-von-Miller-Straße - mittig auf einer Länge von mindestens 210 Metern entstehen, die Straßenführung am Oberen Seeweg soll erneuert werden.

Die Aussichten auf eine Umsetzung des Jahrhundertprojekts sind aus Starnberger Sicht verheißungsvoll: Durch die Übertragung nicht mehr benötigter Bahngrundstücke an die Stadt ergeben sich neue Perspektiven für Nachfolgeprojekte. Innenstadt und Seepromenade könnten großzügig neu gestaltet werden. Angestrebt ist schon jetzt ein barrierefreier Zugang zum Bahnhof und eine Überdachung der Bahnsteige. Janik sieht im Erwerb der frei werdenden Bahngrundstücke "städtebaulich ein Sprungbrett für Starnberg". Sein Credo: "Wir bekommen einen der schönsten Bahnhöfe Europas."

Bei der Neuplanung könnte die Stadt auch auf Vorlagen eines Wettbewerbs aus dem Jahr 2013 zurückgreifen: Weit gediehen waren schon vor zehn Jahren verschiedene Pläne, die neben der Gestaltung auch Finanzierungsmöglichkeiten zur Realisierung der Seeanbindung berücksichtigt hatten. Das Thema wurde nach der Kommunalwahl 2014 aber nicht weiter verfolgt, die damalige Bürgermeisterin Eva John setzte andere Schwerpunkte in der Stadtpolitik. Eine Mediation mit der Bahn scheiterte, der Konzern reichte eine Schadenersatzklage über 170 Millionen Euro ein. Gleichwohl haben weder Kreisstadt noch DB Interesse an einer juristischen Auseinandersetzung. Ein Gerichtsverfahren dürfte sich über Jahre hinziehen und somit Stillstand bedeuten.

Alles hängt am Geld: Allein schafft Starnberg die Finanzierung der "Seeanbindung" nicht

Größte Herausforderung ist die Finanzierung. Bürgermeister Janik hofft auf drei Geldquellen: Etwa 50 Millionen Euro aus Grundstücksverkäufen, die aber allesamt ungenannt blieben. Nur soviel: Der Buzentaurpark steht nicht zur Debatte. 20 Millionen will die Stadt aus ihren Einnahmen bestreiten. Der Rest der erforderlichen Summe - mit 80 bis 90 Millionen Euro mehr als die Hälfte - soll durch Fördermittel von Land und Bund zusammenkommen.

Diese Möglichkeit war der Stadt aufgrund der vorherigen Vertragsvorgaben verwehrt. "Wir müssen Gespräche führen", sagt Janik, wohlwissend, dass das Schicksal Starnbergs in dieser Hinsicht auch von der Entwicklung der weltpolitischen und nationalen Lage abhängt. Sollte es nicht gelingen, binnen eines Jahres die finanziellen Vorgaben zu schaffen, müsste erneut mit der Bahn verhandelt werden.

Unter der Voraussetzung, dass der Stadt das Kunststück einer Finanzierung gelingt, bliebe noch die Frage, wann das Projekt abgeschlossen sein könnte. Auf diese Frage hat Janik keine Antwort: Zu ungewiss ist der Verlauf des weiteren Verfahrens.

Es gibt aber einen Hinweis: Mit Weitblick zog Starnberg im Vorjahr die Bewerbung zur Landesgartenschau 2032 zurück. Die Vorstellung, dass Besucher sich womöglich über Baustellen ihren Weg zum See bahnen, mag dem Stadtrat angesichts fortgeschrittener Verhandlungen mit der DB als absurd erschienen sein. Starnbergs Bürgern soll das Projekt am 1. März im Rahmen einer Informationsveranstaltung in der Schlossberghalle vorgestellt werden.

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