Süddeutsche Zeitung

Corona-Impfung:"Es ist ein echter Verteilungskampf ausgebrochen"

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Starnbergs Landrat Stefan Frey ist stocksauer. Ständig beschwert er sich beim Gesundheitsminister über die Bereitstellung der Dosen stur nach Einwohnerzahl und nicht etwa nach dem Anteil der Senioren und Ärzte. Nun setzt er auf ein Drei-Säulen-Modell, mit dem 1500 Menschen am Tag immunisiert werden können.

Von Christine Setzwein, Herrsching

1500 Impfungen pro Tag könnten das Impfzentrum in Gauting und seine Außenstellen in Starnberg, Feldafing, Wörthsee und Herrsching leisten, zusammen mit den Hausärzten könnten pro Woche 13 000 Impfdosen verabreicht werden - wenn denn genug Covid-19-Vakzin vorhanden ist. Diese Zahlen stellte Jan Lang, Geschäftsführer des BRK-Kreisverbands Starnberg, am Donnerstag in Herrsching vor. Dort, an der Gewerbestraße, entsteht gerade eine Impf-Außenstelle mit 31 Container-Modulen, die im April ihren Betrieb aufnehmen soll. Ziel des Landkreises: den Bürgerinnen und Bürgern schnell und ortsnah Impfangebote machen zu können - wenn denn genug Dosen da sind.

Dieses "wenn" beschäftigt Landrat Stefan Frey (CSU) momentan rund um die Uhr. Und mittlerweile ist er stocksauer. Während andere Landkreise bei der Impfquote davon ziehen, scheint in Starnberg nichts voranzugehen. Tatsächlich hat bei den über 80-Jährigen erst die Hälfte die erste Spritze bekommen. Das liege daran, dass im Landkreis etwa 11 000 Menschen dieser Altersgruppe leben, es allein 14 Pflegeheime gebe und zur höchsten Priorisierungsgruppe auch noch Tausende Ärzte und Pflegekräfte in zehn Kliniken gehören sowie die Beschäftigten in zwei großen Einrichtungen für Menschen mit Behinderung. Die Menge des Impfstoffs richte sich aber weiter stur nach der Einwohnerzahl, in Starnberg sind das etwa 136 000.

Freys Ärger richtet sich vor allem gen München. Dem Gesundheitsminister Klaus Holetschek trete er schon "jeden zweiten Tag auf die Füße", damit bei der Impfstoffverteilung die Gegebenheiten und nicht die Einwohnerzahlen zugrunde gelegt würden. Dass etwa der Landkreis Dachau mit seinen 155 000 Einwohnern mit der Prioritätsstufe eins bald durch sei, habe damit zu tun, dass es dort nur zwei Kliniken und acht Altenheime gebe, sagt Frey in Herrsching. Er wolle sich nicht vorhalten lassen, dass der Landkreis untätig sei, "wir arbeiten Tag und Nacht, und wir hinken auch nicht hinterher".

Jetzt sei auch noch der Impfstoff Astra Zeneca weggebrochen, der bereits für Lehrer und Erzieher "eingetaktet" gewesen sei. Frey: "Viele kämpfen um ein kleines Stück Brot, es ist ein echter Verteilungskampf ausgebrochen." Im Landratsamt gingen täglich bis zu 2000 Anrufe von Bürgern ein. Von solchen, die verunsichert seien, aber auch von solchen, die sich gerne vordrängeln möchten. Bis Mitte April will Frey nun mit der Impfung der ersten Priorisierungsgruppe fertig sein.

Mit dem "Starnberger Modell" sei man trotz der Widrigkeiten auf einem guten Weg, sagte der Landrat. Das bestehe aus dem Impf- und Logistikzentrum in Gauting, den vier über den Landkreis verteilten Außenstellen sowie den Hausärzten zur individuellen Impfung ihrer Patienten. Diese Impfstrategie lobte auch BRK-Kreisgeschäftsführer Jan Lang, denn damit würden auch die Hausärzte nicht überfordert. Mit den Außenstellen wolle man "den Menschen Hoffnung und Sicherheit bringen", sagte er.

Die Impfungen in den Filialen sollen im April beginnen, Lang rechnet mit einem Betrieb von zunächst sechs Monaten. In Herrsching könnten täglich bis zu 300 Spritzen verabreicht werden, so viele wie in Gauting. Am Anfang geht Lang von täglich 500 Impfungen im ganzen Landkreis aus, dann von 1000 "und später vielleicht noch mehr". Immunisiert werden könne "sieben Tage die Woche", verspricht er. Das alles "steht und fällt mit den Dosen, die wir bekommen", sagte der Landrat.

Herrschings Bürgermeister Christian Schiller war sichtlich stolz, dass es gelungen ist, in Herrsching ein Grundstück zu bekommen für das BRK. Auf das Areal kommt nämlich nicht nur die Impf-Außenstelle, sondern auch eine neue Rettungswache, die bisher noch in Seefeld stationiert ist. Eine Rettungswache sei wichtig für die Daseinsvorsorge der Bürger, und "die Einsatzzahlen im Landkreis Starnberg steigen stark". Das Grundstück an der Gewerbestraße ist seit den 1980er-Jahren baureif und gehört einem Herrschinger. Jan Lang hofft auf einen langfristigen Erbpachtvertrag, denn dann könnte dort ein Rot-Kreuz-Zentrum mit Tagespflege entstehen.

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SZ vom 19.03.2021
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