Süddeutsche Zeitung

Starnberg:Stadtrat will Bürgermeisterin in Regress nehmen

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Eva John soll für sechsstellige Anwaltshonorare gerade stehen, die bei Verhandlungen mit der Bahn angefallen sind.

Von Peter Haacke, Starnberg

Für die Stadt Starnberg, insbesondere aber für Bürgermeisterin Eva John (BMS), könnte die Klage des Münchner Rechtsanwalts Walter Georg Leisner im Zivilprozess vor dem Landgericht München II zu einer teuren Angelegenheit werden. Nachdem der Stadtrat einen vom Richter vorgeschlagenen Vergleich über 120 000 Euro mit Leisner am 11. April mehrheitlich abgelehnt hat, beschloss das Gremium am Montag, John den Streit zu verkünden - so die formale Bezeichnung. Damit will der Stadtrat die Bürgermeisterin, der eine grob fahrlässige oder gar vorsätzliche Dienstpflichtverletzung vorgeworfen wird, persönlich in Regress nehmen. Vorab soll ein Gutachten der Rechtsanwaltskammer klären, ob die ursprünglich geltend gemachten Forderungen von Leisner über 212 000 Euro bei einem Streitwert von rund 30 Millionen Euro korrekt sind und John den Anwalt für Verhandlungen mit der Bahn beauftragen durfte ohne Stadtratsbeschluss.

Es ist eine komplexe Angelegenheit, über die das Landgericht zu urteilen hat. Rechtsanwalt Leisner, der 2017 unter anderem ein Gutachten zu den Folgen eines Auslaufens von Verträgen mit der Bahn aus dem Jahr 1987 erstellt hatte, verklagte die Stadt Starnberg, weil sein gefordertes Honorar für Verhandlungen mit der Bahn und seine Antragsschrift für ein Schlichtungsverfahren nicht bezahlt wurde. In einer ersten Gerichtsverhandlung am 19. März einigten sich die Parteien auf einen Vergleich über 120 000 Euro - vorbehaltlich der Zustimmung durch den Starnberger Stadtrat. Während Leisner den Vergleich umgehend akzeptierte, lehnte der Stadtrat die Zahlung jedoch mehrheitlich ab, weil sich in der Verhandlung verschiedene, bislang ungeklärte Aspekte ergeben hatten. Aus Sicht des Stadtrates sind unter anderem die Mandatierung Leisners durch Bürgermeisterin John und die aus dem hohen Streitwert resultierenden Honorarforderungen aufklärungsbedürftig.

Juristischer Vertreter der Stadt Starnberg ist seit wenigen Tagen der Münchner Rechtsanwalt Christian Langgartner. Er unterrichtete den Stadtrat am Montag über Stand und möglichen Ausgang des Verfahrens, verdeutlichte aber auch, dass eine "Prognoseentscheidung sehr schwierig" sei. Er zeigte zwei Möglichkeiten auf: Entweder könne die Stadt ihren Widerruf widerrufen und den Vergleich annehmen. "Dann wird der Prozess beendet", sagte Langgartner. Oder der Stadtrat verkündet der Bürgermeisterin den Streit gemäß Paragraf 72 der Zivilprozessordnung, der eine persönliche Beteiligung Johns als dritte Partei neben Leisner und der Stadt am bislang offenen Verfahren ermöglicht.

Keinen Zweifel ließ Langgartner daran, dass die Vergütung Leisners unstrittig ist. Fraglich dagegen sei, ob John mit der weiteren Beauftragung Leisners korrekt gehandelt habe. Er sprach von einem "Missbrauch der Vertretungsmacht" und verdeutlichte dies an einem Beispiel: "Sie bestellen ein Auto für 10 000 Euro, ihr Beauftragter kauft aber einen Porsche für 130 000 Euro." Für eine Beauftragung Leisners für Gespräche mit der Bahn von Juli 2017 an habe Langgartner jedenfalls keinen Stadtratsbeschluss finden können. Die Landesanwaltschaft habe im Disziplinarverfahren gegen John, das am 3. Juli vor dem Verwaltungsgericht verhandelt wird, bereits eine Pflichtverletzung der Bürgermeisterin festgestellt. "Vor diesem Background kann ich Ihnen keinen Vergleich empfehlen", sagte Langgartner. Dabei handele es sich nicht um eine Ermessensfrage. "Sie haben eine Pflicht als Stadtrat, Regressansprüche geltend zu machen. Machen Sie das nicht, setzen Sie sich gegebenenfalls selbst einem Verfahren aus."

Von der nachfolgenden Debatte war John als Betroffene schon zu Beginn ausgeschlossen worden. Vergeblich mühte sich Markus Mooser (WPS), auch die UWG-Vertreter und Rechtsanwälte Professor Otto Gaßner sowie Bürgermeister-Kandidat Patrick Janik wegen "persönlicher Befangen- und Betroffenheit" auszuschließen, weil die jeweiligen Kanzleien von Gaßner und Janik sowie Langgartner ihren Sitz im gleichen Gebäudekomplex haben. Zudem hatte Mooser einen Hinweis auf der Homepage des Klägers Leisner entdeckt, wonach Gaßner ein "Kooperationspartner" sei. Gaßner entkräftete die Vorwürfe, auch Janik erklärte sich als unbefangen. Während sich Martina Neubauer (Grüne) im Einklang mit CSU, SPD, UWG, BLS und Parteifreien "vollumfänglich bestätigt in unserer Auffassung" sah, interpretierten die Vertreter von WPS, BMS und FDP den Vortrag Langgartners als "Vorverurteilung" der Bürgermeisterin.

John selbst äußerte sich auf Anfrage nicht. In der Stadtratssitzung vom April hatte sie Vorwürfe zurückgewiesen. Die Landesanwaltschaft habe ihr keine Pflichtverletzung vorgeworfen. Josef Pfister (BMS) kritisierte den Beschluss der Mehrheit. "Das dauert ewig", sagte er und hinterfragte, ob das Verfahren nun billiger werde. Langgartner entgegnete: "Die Dauer des Verfahrens hat nichts mit Gerechtigkeit zu tun."

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SZ vom 08.05.2019
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