Süddeutsche Zeitung

Starnberg:Beschluss mit Symbolcharakter

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Wie hoch ist der Preis für den politischen Frieden in Starnberg? Der Stadtrat würde eine halbe Million Euro für die Untersuchungen einer ortsfernen Umfahrung ausgeben - wenn das Geld denn vorhanden wäre.

Von Peter Haacke, Starnberg

Tunnel bauen, Umfahrung prüfen - so lautete kurz nach Mitternacht die griffige Kompromissformel, die der Starnberger Stadtrat mit knapper Mehrheit in der Nacht auf den 21. Februar 2017 gefunden hatte. Für die Kreisstadt ein Beschluss mit historischer Tragweite: Nach jahrzehntelangem Streit und erbittert geführten Endlosdebatten über die bestmögliche Entlastung vom überbordenden Verkehr auf Starnbergs meistbefahrener Straße schien endlich eine Lösung zustande gekommen zu sein. Die Voraussetzungen zum Bau des B2-Tunnels sind längst geschaffen, das Bauwerk könnte - zumindest theoretisch - im Jahr 2033 fertiggestellt sein. Doch das Versprechen, die Möglichkeiten, Voraussetzungen und Hindernisse zum Bau einer Umfahrung im Norden Starnbergs auszuloten, blieb bislang unerfüllt.

Überraschend hat nun Starnbergs Bürgermeister Patrick Janik (CSU, UWG, SPD, BLS) das Thema Umfahrung wieder auf die Tagesordnung der jüngsten Stadtratssitzung gehievt, obwohl sich am aktuellen Sachstand nichts geändert hat: Im Juni 2022 hatte das Gremium mehrheitlich beschlossen, weitere Untersuchungen und Planungen für eine ortsferne Umfahrung, die das Würmtal auf einer Länge von 8,3 Kilometern durchquert, bis auf Weiteres einzustellen.

Grundlage für diese Entscheidung bildete eine 190 000 Euro teure faunistische Kartierung - also die Untersuchung der Tierwelt im Starnberger Norden. Die Experten hatten im potenziellen Bereich der Umfahrung zwar 38 geschützte Tierarten festgestellt, allerdings auch kein endgültiges K.-o.-Kriterium für die Trasse genannt. Entscheidend war vielmehr die klamme Finanzlage Starnbergs: Weitere Untersuchungen - ausstehend sind eine Wirkungs- und Konfliktanalyse sowie eine hydrogeologische Expertise - dürften bis zu einer halben Million Euro kosten.

Bürgermeister Janik, der seinerzeit gegen eine Einstellung der Untersuchungen gestimmt hatte, fühlt sich jedoch weiterhin an den Kompromiss aus dem Jahr 2017 gebunden. Aus einer "launigen Stimmung heraus" sei im Vorjahr "holterdiepolter eine falsche Entscheidung" getroffen worden, sagte er. "Es nagt an unserer Integrität, wenn wir den Beschluss von 2017 an den Haken hängen." Er wolle den Umfahrungsfreunden "ein Signal" senden - auch, um den politischen Frieden in Starnberg wieder herzustellen. Es handle sich - allen persönlichen Zweifel an der Genehmigungsfähigkeit einer Umfahrung zum Trotz - um einen Beschluss mit symbolischem Charakter. Allerdings mit einer Einschränkung: "Wir prüfen die Umfahrung wieder, wenn es die Haushaltslage erlaubt."

Damit hatte der Bürgermeister eindeutig die Mehrheit im Plenum auf seiner Seite. Michael Mignoli (BLS) etwa verortete für eine Umfahrung zwar Probleme, die aber nicht unlösbar seien. Zudem sei "ja nicht sicher, ob der Tunnel jemals kommt", in diesem Zusammenhang wäre es gut, einen "Plan B" zu haben. Ohnehin sei die Entscheidung vom Juni 2022 gegen weitere Untersuchungen "ein unfairer Schritt" gewesen.

Im Haushalt der Stadt klafft für 2024 eine Lücke von sieben Millionen Euro

Vehementer Widerspruch kam von den Grünen. Getreu dem Motto, dass man einer schlechten Sache kein gutes Geld hinterherwerfen sollte, plädierte insbesondere Ursula Lauer gegen weitere Untersuchungen zum Bau einer Umfahrung. "Wir würden wertvolle Biotope vernichten", sagte sie, überdies vereitle EU-Recht den Bau einer Straße in geschütztem Gebiet. Daher solle der Stadtrat nicht weitere Gelder bewilligen, "die wir für andere Dinge besser gebrauchen und umsetzen können". Zwar erkenne auch sie die Starnberger Verkehrsproblematik an, in diesem Zusammenhang solle man aber bessere Lösungen erwägen.

Ob in den anstehenden Haushaltsberatungen für 2024 tatsächlich Geld zur Planung einer Umfahrung in den Etat eingestellt wird, bleibt abzuwarten. Dem Vernehmen nach klafft aktuell allein im Vermögensetat der Stadt fürs nächste Jahr eine gewaltige Lücke in Höhe von sieben Millionen Euro, die nur schwerlich zu schließen sein wird. Der jüngste Beschluss des Stadtrats dürfte somit weiterhin bestenfalls symbolischen Charakter haben.

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