Süddeutsche Zeitung

Kunst:Geschöpfe aus dem Ammersee

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Barbara Eberth-Pfaff sammelt Treibholz aus dem Ammersee und lässt daraus Tiere und Figuren entstehen. Die Künstlerin aus Raisting pflegt eine ganz besondere Beziehung zum Wasser.

Von Carolin Fries, Raisting

Ständig blicken sie diese Fratzen an. Aus der groben Struktur von Rauhfaser-Tapeten etwa. Oder aus Astlöchern in Brettern oder Baumwurzeln. Immer wieder entdeckt Barbara Eberth-Pfaff darin Gesichter und Figuren. Sie hat diese Gabe schon lange, womöglich schon immer. "Das ist schön", sagt die 54-Jährige, "es hält einen aber auch auf im Leben". Ein Spaziergang mit ihr sei "eine Aufgabe", sagt sie. Denn die Künstlerin aus Raisting hat beschlossen, diesen Geschöpfen einen Platz in ihrem Leben zu geben und sie auch für andere Menschen sichtbar zu machen. Ja, das kostet Zeit und Kraft und fordert Inspiration. Doch wer sonst würde diesen Wesen eine Seele schenken? Denn nichts anderes macht Eberth-Pfaff mit ihren Treibholz-Objekten: Abgestorbenes Material zu neuem Leben erwecken.

Frühmorgens sammelt sie das Treibholz aus dem Ammersee, meist an der gleichen Stelle und am liebsten nach Sturm und Gewitter. "Dann hat die Ammer ordentlich was mitgebracht." Zu Fuß in Gummistiefeln oder mit dem Stand-up-Paddelboard und großen Plastiktüten über den Schultern fischt sie aus dem Wasser, was sie braucht. Meistens weiß sie inzwischen, für welche Stücke es sich zu bücken lohnt. Die Größe der Fundstücke reiche von fingergroß bis Kann-mir-mal-jemand-tragen-helfen. "Ich finde eigentlich immer was", sagt die groß gewachsene Frau. Sie trägt eine schwarze Tunika, die weißen Haare sind locker zu einem Knoten zusammengebunden. Sie strahlt eine ansteckende Gelassenheit und ein Grundvertrauen ins Leben aus, "Vorteile des Alters", wie sie sagt. Und wenn mal kein Treibholz im See auf sie wartet? Dann sammelt sie den Müll im Uferbereich ein und entsorgt ihn - ihre Art, sich beim See zu revanchieren.

Daheim in Raisting, wo sie in einem mehr als 400 Jahre alten Bauernhaus wohnt, lagert das Treibholz aus dem Ammersee im ehemaligen Kuhstall, der zu ihrer Werkstatt geworden ist. In Regalen, Kisten und Körben oder auf Tischen hat sie ihre Schätze der Größe nach sortiert, manche Hölzer brauchen mehrere Jahre zum Trocknen. Einmal im Jahr macht Eberth-Pfaff Inventur: Dann wird alles entsorgt, was von Würmern und Pilzen belebt ist oder zerbröselt ist. Alles andere darf Kunst werden. Dafür kombiniert Eberth-Pfaff meist zwei Fundstücke, in der Regel bekommen Körper Köpfe. Nur selten ist es ein einziges Stück, das auf einer metallenen Stele in der richtigen Position präsentiert werden will. In den allermeisten Fällen entstehen Vögel, warum auch immer. "Ich hab gar keinen besonderen Bezug zu Vögeln", sagt Eberth-Pfaff.

Wohl aber zum See. In Herrsching aufgewachsen hat sie als Kunstglaserin, Altenpflegehelferin und Landschaftsgärtnerin gearbeitet und dabei den Ammersee bis heute nicht verlassen, sondern eher umrundet. Zeitweise lebte sie in in Inning, Frieding und Breitbrunn - vor acht Jahren zog sie mit der Familie nach Raisting. "Ich brauch' die Nähe zum See", sagt sie, auch wenn es nicht jeden Tag die große Schwimm- oder Spazierrunde sein muss. Meist sei es ihr ohnehin zu voll. Dann gehe sie mit ihrer jungen Hundedame "Frau Schmidt" auch mal an der Rott entlang und sammele ein, was ihr vor die Füße fällt, erzählt sie.

Eberth-Pfaff fügt zusammen, was zusammen will - so formuliert sie es. Dabei arbeitet die Handwerkerin mit Drahtstiften, die sie mitunter mit Modelliermasse kaschiert. Außer an den Übergängen versucht sie das Treibholz möglichst wenig zu bearbeiten. Ein bisschen schleifen, wachsen oder ölen - mehr nicht. "Umso weniger ich mache, desto stimmiger fühlt es sich an." Die meisten Objekte bekommen keinen Namen, weil jeder sehen darf, was er will. Manchmal aber schreit das Stück Holz ihr förmlich ins Gesicht, was es ist. So wie die "Syrerin": Eine stolze und würdevolle Frau - trotz der sichtbaren Verletzungen. Und manchmal gibt Eberth-Pfaff dem Holz seine Bedeutung, wie bei ihren Serie der "Vom Leben Gezeichneten": Auf die Äste und Zweige verletzter Bäume hat sie dafür modellierte Köpfe gesetzt.

Auch Bilderrahmen und Lampen finden sich im kleinen Ausstellungsraum, den sich die Künstlerin in der ehemaligen Holzstiege neben dem Wohnhaus eingerichtet hat. Sperrt die Künstlerin diesen auf - es gibt keine festen Öffnungszeiten - hat man die Chance, geschmackvolle Mitbringsel oder Kunstwerke zu erwerben. Die Preise für den Großteil der Objekte liegen zwischen 45 und 1000 Euro. Während des Töpfermarktes in Dießen ist eine Auswahl ihrer Arbeiten in den Räumen der "Weibsbilder" in der Mühlstraße zu sehen.

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