Süddeutsche Zeitung

Parken in Starnberg:Geschenkte Zeit

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Die Stadt hat eine "Semmeltaste" eingeführt, jeder darf sein Auto 30 Minuten gratis abstellen. Die Grünen sind verärgert.

Von Peter Haacke, Starnberg

Als ausgesprochen teures Pflaster gilt Starnberg: Immobilienpreise und Mieten erreichen seit Jahren einsame Höchstwerte im bundesweiten Vergleich. Und auch die durchschnittlichen Einkommen sind Spitze, was sich an vielen überdurchschnittlich hochwertigen und teuren Autos im Straßenbild der Kreisstadt leicht nachvollziehen lässt. Doch ausgerechnet dort, wo am leichtesten Geld zu verdienen wäre an Autofahrern, die ihre kostspieligen Karossen auf einem der raren öffentlichen Parkplätze in der Starnberger Innenstadt abstellen, ist die Kreisstadt ausgesprochen billig: Eine Stunde kostet einen Euro - ein Tarif, über den Münchner nur müde lächeln können. Und es kommt noch besser: Seit Anfang April gibt es in der Starnberger City an insgesamt 17 Parkuhren eine "Semmeltaste" für Kurzzeitparker, die ihr Fahrzeug 30 Minuten lang kostenlos abstellen können.

Es ist eine Binsenwahrheit, dass in Zeiten politischen Wahlkampfs immer auch Zeiten der größten Wohltaten für Bürger anbrechen. Und so überraschte es kaum jemanden, dass der Stadtrat in seiner Februar-Sitzung mit großer Mehrheit dem Antrag eines Starnbergers folgte, der im November in der Bürgerversammlung die Einführung einer "Brötchentaste" gefordert hatte. Zwar verzögerten zunächst "technische Probleme bei der Software" einen früheren Start, wie die Stadtverwaltung mitteilte. Doch im zweiten Anlauf klappte es: Autofahrer können nun seit wenigen Wochen per Knopfdruck am Parkautomaten oder per Handyparken eine halbe Stunde lang ihr Fahrzeug kostenlos in der Innenstadt abstellen.

Die Standorte der 17 Parkuhren befinden sich in der Maximilian-, Wittelsbacher- und Ludwigstraße, der Josef-Jägerhuber- und Kaiser-Wilhelm-Straße, am Bahnhofplatz, in der Bahnhof- und Hauptstraße sowie am Tutzinger-Hof-Platz. Das kostenlose Kurzzeitparken ist gedacht für Leute, die sich ein Rezept beim Arzt oder ein Medikament in der Apotheke abholen möchten oder nur kurze Besorgungen in einem Geschäft zu erledigen haben. Wer sein Fahrzeug länger als eine halbe Stunde abstellen will, muss von Beginn an ein gebührenpflichtiges Parkticket ziehen. In der Innenstadt gelten dabei folgende Zeitzonen: Bis 30 Minuten gebührenfrei, bis 60 Minuten ein Euro, bis 120 Minuten zwei Euro.

Allerdings wird die "Brötchentaste" - auf Antrag der UWG in die bayerisch korrekte "Semmeltaste" umbenannt - nicht durchgängig positiv gesehen: Die Grünen stimmten geschlossen dagegen, weil Autofahrern gegenüber allen anderen Verkehrsteilnehmern wieder einmal Vorteile eingeräumt würden. Franz Sengl war verärgert: "Es kann nicht in unserem Interesse sein, die Leute mit dem Auto in die Innenstadt zu locken", sagte er. "Wir wollten doch eher alles autofrei halten." Zumal es als offenes Geheimnis gilt, dass die in der Starnberger Innenstadt vorhandenen Tiefgaragen nur selten ausgelastet sind. Und auch von der Radfahrer-Lobby setzte es unverhohlen Kritik: "Mit solchen Wahlgeschenken lässt sich die Verkehrswende zuverlässig verhindern", monierte Gerhard Hippmann vom Kreisverband des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs. "Die Stadt Starnberg lädt ihre armen Autofahrer zum Kurzzeitparken ein."

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SZ vom 22.04.2020
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